Zunächst Überraschungen für das Massenpublikum, am Schluss das gewohnte Erfolgserlebnis der Marke Markus Poschner. Der Chefdirigent des Bruckner Orchesters wählte für das vierte Konzert der eigenen Reihe seines Orchesters am Donnerstag im Linzer Brucknerhaus ein anderes Programmformat.
Als Auftakt auf der „Roten Couch“ stellte Poschner den schon seit längerer Zeit hier aktiven ersten Konzertmeister Jacob Meining aus Dresden vor, weiters verabschiedete er das langjährige Orchestermitglied Werner Steinmetz in den Ruhestand, und – ganz ungewöhnlich nach der Bruckner-Sinfonie – steigerte er den Applaussturm noch mit einer ganz besonders duftigen Schubert-Zugabe.
Anspruchsvolle Hinführung
Der hauptsächlich Gefeierte im Jahr seines 200. Geburtstages war natürlich Anton Bruckner mit seiner Sinfonie Nr. 6 in A-Dur, für sich schon eine Überraschung als eines der ureigensten Werke des Komponisten. Aber noch viel mehr war zu erfahren zum Thema Bruckner, denn Poschner erzählte vor der Pause mit seinem eloquenten Charme aus seinem vollen Wissensfundus über Bruckner, sein Leben, sein Werk, seine Zeitgenossen, seine Förderer und Gegner. Dass man ihm nicht immer und schon gar nicht etwa Pseudogenies gut gesonnen waren, er Krisen verarbeiten musste, Brueiß man aus den vielen Biografien.
Poschners anspruchsvolle Hinführung mit dazwischen vom Orchester viel Konzentration verlangenden Musikproben hätte für sich schon ein Buch gefüllt, vielleicht manche überfordert, begeisterten aber von seiner Persönlichkeit am Pult als Lehrmeister. Und fanden dann bei der Aufführung der Sinfonie alles musikalisch verwirklicht, was der Maestro erzählt hatte.
Die „Sechste“, vollendet 1881, ist wahrlich ein anderes Stück Musik, als Bruckner sie vorher der Welt schenkte. Deshalb auch meist gemieden von Dirigenten und von Bruckner „für Gott und Natur“ erst nach einer dreijährigen sinfonischen Komponierpause, während er als Organist in der Schweiz gefeiert wurde, geschrieben. Bruckner greift in seiner „Sechsten“ in A-Dur emotional gelenkt nach allen Fasern der unergründlichen Seele und holt den rätselhaften Meister vom Himmel.
Klangluxus und Homogenität
Und Poschner empfängt ihn mit totaler Identifikation, lebt in ihm und liebt ihn, als wäre das Opus für ihn entstanden. Das Bruckner Orchester folgte ihm in allen Stimmen mit einem Klangluxus und einer für die Großbesetzung kaum gelingenden Homogenität. Ob Haupt- oder Seitenthemen in welchem Kontrast stehend, einprägsame Melodien, formale Variationen, Tempomodifikationen, Dynamik, Phrasierungsfeinheiten oder was das Werk sonst alles erfordert, Poschner blieb der gestalterischen Verwirklichung nichts schuldig.
Besonders eindrucksvoll gelangen das Wehmut und glückliche Freude zugleich ausdrückende Adagio oder das wie eine naturhafte Idylle klingende fantastische Scherzo. Als der großartig angelegte Finalsatz, in dem die Gedankenwelt des Kopfsatzes in seiner Größe wiederkehrt, in Poschners Armen bis zum letzten Finger gelangt, ist man gewiss, dass man diesmal die Krönung einer außergewöhnlichen Aufführung erleben durfte.
Von Georgina Szeless