Um die Opernwelt als Chaos-Ort – voran ein Schauspieldirektor in Endzeitstimmung auf einer Bühne mit schlichter Ausstattung im herrlichen Hof des Schlosses Tillysburg – geht es bei der ersten Premiere der Tillysburger Festspiele 2024. Der Directeur stellt von Lessings „Die Kunst geht nach Brot“ bis zur heutigen Quotengier den ewigen Hader der Kunst mit Finanzen, Förderern und realen Beziehungen am Theater in den Fokus.
Ein Quartett als vollwertiges Mozart-Orchester
Ob als ausgewachsene Mozartoper oder „Best off Mozart“-Casting-Show, stellt Regisseur und Intendant Nikolaus Büchel klar, als er zum Abschluss den echten Castingchef lobt. Mozart jedenfalls konzipierte als 30-Jähriger (1786) sein Singspiel „Der Schauspieldirektor – gibt Figaro“ als Parodie auf den damaligen Opernbetrieb im Wettstreit mit seinem ewigen Rivalen Salieri.
Fünf hoch qualifizierte Musikerinnen und Musiker fungieren als vollwertiges Mozart-Orchester. „Wer bin ich, worum geht es?“ matschkert auf der Strecke die Erste Geige (Elena Rozanova-Lade) im Sinne ihrer Mit-Solisten vom United Europe Orchester und gelegentlich auch in jenem des Publikums.
Bruckner grantelt vom Bühnenrand
Aus Zeit und Ort gefallen, aber aus gegebenem Anlass ins Geschehen gezwängt, grantelt und lobt zwischen den Arien vom Bühnenrand aus Jubilar Anton Bruckner (J-D Schwarzmann): „Do derf ma ned haglich sein“.
Ein Cabrio L-DIVA 1 fährt vor. Paula Ruiz als Mme. Herz lässt sich zum Vorsingen herab, denn auch für sie sind Stellen als Opernsängerin rar und die Arbeitsbedingungen prekär. „Oh Gott, die!“ Nach ihrer Rosenarie aus Figaro liegt man(n) ihr jedoch zu Füßen.
Schief beäugt wird auch Barbarella (Judith Sauer) als Gspusi des fremdgehenden Tenors Vogelsang (Max Lütgendorf), aber auch sie wird nach ihrer Cosi-Antrittsarie auf Händen getragen. Daneben umgarnt Sonja Nothbauer ausdrucksstark und liebevoll die Diven in ihrer Männerrolle Cherubino.
„Der Bock und die Ziege“, tobt hingegen mit voller Altstimme Vogelsangs eifersüchtige Gattin Marcella (Nina Edelmann). Als Mme. Silberklang trägt Sopranistin Themine Schaeffer ihren Bühnennamen zurecht. Adagio contra Allegro giften sich die Primadonnen im Wettstreit um die Hauptrolle in langanhaltenden höchsten Tönen an. Daneben rittern die Männer von Tenor bis Bass (Jorge A. Martinez, Paul Skalicki, Christoph Berg) um die Rolle des Figaro. Der Direktor (Bariton Jubin Amiri) aber bevorzugt Cosi aus ökonomischer Sicht. „Die Kunst und ich – eine Zweierbeziehung fernab der Welt“ räsoniert er zur Zukunft des Theaters.
Im Sog des Mozartgesangs
An die zwanzig Arien in allen Sangesformationen samt Rezitativen und Chören schweben (wetterbedingt leider nur bis zur Pause) vor der barocken Fassade in den Nachthimmel des Schlosshofes. Aber auch nach der Übersiedlung an die Ausweichbühne im Gewölbekeller nimmt der Sog des Mozartgesangs gefangen. Musiker und Sänger bringen solistisch und als großes Ganzes die Mozart´sche Klangpalette zum Leuchten.
Die verworrene Handlung gerät zur Nebensache, wiewohl das heitere Libretto von Solveig Palm und Nikolaus Büchel mit wohl platzierten kritischen Gedanken zu Kunst und Politik im Kern treffen.Nach rund zweieinhalb Stunden (mit Pause, ohne Übersiedlungszeit) großer Applaus für das bestens disponierte Zehnpersonen-Sängerensemble samt Orchester.
Info und Tickets: www.festspiele-schloss-tillysburg.at
Von Eva Hammer