Neues Album: Coldplay gehen mit „Moon Music“ in die Verlängerung

Longplayer erscheint am Freitag und vereint wieder viele Gastmusiker - In Raum gestelltes, mögliches Ende der Band vorerst vom Tisch

Mit seiner Ankündigung, das zwölfte Coldplay-Album werde das letzte der Band werden, hat Frontmann Chris Martin kürzlich für Aufsehen gesorgt. „Es ist wirklich wichtig, dass wir dieses Limit haben“, betonte er vor einigen Tagen im Interview mit Apple Music: „Weniger ist mehr.“ Das am 4. Oktober erscheinende Album „Moon Music“ ist nun das zehnte der britischen Band. Ein unmittelbares Ende ist also nicht in Sicht.

Noch vor drei Jahren hatte Martin gesagt, Coldplay würden 2025 aufhören, Musik zu machen. Immerhin dieser Plan ist vom Tisch. Schließlich soll es laut der neuen Ansage noch zwei weitere Studioalben nach „Moon Music“ geben.

Auf der neuen LP setzen Coldplay den musikalischen Kurs fort, mit dem sie seit Jahren überaus erfolgreich sind. Vom schwermütigen Indie-Rock der Anfangstage mit „Yellow“ und „The Scientist“ ist nicht viel geblieben. Chris Martins sanfte Stimme ist die einzige echte Konstante im Coldplay-Sound.

Perfekt produzierte, stadiontaugliche Popmusik

Heute steht die in London gegründete Band für perfekt produzierte, stadiontaugliche Popmusik mit Elementen unterschiedlichster Genres. Die kommerzielle Ausrichtung verschreckte manche Kritiker, aber sie füllt Stadien.

Der gleichnamige Titelsong von „Moon Music“, der das Album eröffnet, erinnert tatsächlich noch am ehesten an die melancholischen Coldplay der frühen 2000er, mit der sie die Musikpresse verzückten. Doch dann zünden die Briten auf „Moon Music“ erneut ein Pop-Feuerwerk, das wie für große Stadionkonzerte gemacht ist.

Musikalisches Feuerwerk

Das leichtfüßige, fast verträumte „Feels Like I’m Falling In Love“ geht sofort ins Ohr. Die Überleitung zum Refrain, in der Martin „I know“ und dann einfach „Lalala-lalala-lalala“ singt, ist fast noch eingängiger als der Refrain selbst.

Mit an Bord als Songwriter und als Produzent ist wieder der Schwede Max Martin, einst Hitmacher für Britney Spears („Ooops, I Did It Again“) oder die Backstreet Boys („I Want It That Way“). Kommerzieller Pop ist Max Martins Spezialgebiet.

Ein Ohrwurm ist auch „Good Feelings“ mit einem Funk-Rhythmus im Stil von Chic. Deren Gitarrist Nile Rodgers spielt mit und ist als einer der Songwriter gelistet. Gleichzeitig ist da dieser beschwingte Boygroup-Sound. Den beherrschen Coldplay spätestens seit der gemeinsamen Single mit den K-Pop-Superstars BTS („My Universe“), die der Band eine neue Generation von Fans bescherte. Bei „Good Feeling“ singt die nigerianische Afropop-Musikerin Ayra Starr mit.

Beachtliche Vielfalt

Stellvertretend für den Genremix steht auch die aktuelle Single „We Pray“, die Pop, Hip-Hop, Afrobeat und lateinamerikanische Musik kombiniert. Die passenden Künstler dafür haben Coldplay zum internationalen Quintett geladen – die britische Rapperin Little Simz, den Afrobeat-Musiker Burna Boy, die argentinische Sängerin Tini und die palästinensisch-chilenische Sängerin Elyanna. Das Video dazu drehten die Band und ihre musikalischen Mitstreiter inmitten von Fans in der Fußgängerzone Dublins.

In einem Song, der in der vorab veröffentlichten Tracklist als Regenbogen-Emoji gelistet ist, spricht und singt die 2014 verstorbene US-Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou über eine Ambient-Klangkulisse. Das wirkt zwar etwas dick aufgetragen, erst recht, wenn es von einer Band wie Coldplay kommt, aber es klingt zugegebenermaßen richtig schön.

Die meisten Beats kommen aus dem Computer

Schlagzeuger Will Champion hat auf dem neuen Album der einstigen Rockband übrigens wenig zu trommeln. Organisches Schlagzeug ist nämlich eine Rarität. Die meisten Beats kommen aus dem Computer. „Aeternia“ entpuppt sich sogar als echte Trance-Nummer mit starkem 90er-Jahre-Einschlag. Für einige Coldplay-Fans der ersten Stunde kommt so etwas vermutlich einem Affront gleich – falls sie sich „Moon Music“ überhaupt noch anhören.

Doch ob man es nun mag oder nicht – diese Vielfalt ist schon beachtlich. Noch beachtlicher ist, dass es Coldplay auf „Moon Music“ erneut gelungen ist, alles völlig selbstverständlich wie aus einem Guss wirken zu lassen. Da folgt auf den Tanzflächenkracher die langsame Pianoballade „All My Love“ und es passt. Wie schon der Vorgänger „Music Of The Spheres“ hat „Moon Music“ eindeutige Züge eines Konzeptalbums.

Für die CD- und LP-Veröffentlichung von „Moon Music“ wurden recycelte PET-Flaschen und Haushaltsabfälle verwendet, um die Produktion von neuem Plastik zu vermeiden. Das soll besonders klimafreundlich sein und die CO2-Emissionen deutlich reduzieren. Da die meisten Menschen es aber wohl eher im Streaming hören, das vergleichsweise hohe CO2-Emissionen verursacht, kann man das wohl eher als Marketing-Gag verbuchen.

Auf die Erfolgsgeschichte von Coldplay hat das ohnehin kaum einen Einfluss. Beim Glastonbury-Festival im vergangenen Sommer trat die Band Schätzungen zufolge vor 100.000 Menschen auf. 7,6 Millionen schauten sich das Konzert via BBC am Fernseher oder Computer an. Es war die beste Werbung für Coldplay. Im nächsten Sommer gibt das Quartett zehn Konzerte im Londoner Wembley-Stadion, die schon jetzt ausverkauft sind.

Da können ihre Kritiker noch so viel meckern, die Musik von Coldplay sei zu kommerziell geworden, Chris Martin und Co. wirkten selbstverliebt oder täten sich als Weltverbesserer hervor. Ihr gigantischer Erfolg dürfte sie in ihrem Tun bestätigen. Ganz nebenbei muss man auch anerkennen, dass „Moon Music“ ein richtig gutes Popalbum ist.

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