Sonntagabend, 20.15 Uhr. Millionen Zuschauer schauen den neuen „Tatort“. Die absolute Kultreihe des deutschsprachigen Fernsehens feiert diesen Sonntag ihren 50. Geburtstag. Die Sendung zählt damit bei uns zu den langlebigsten Fernsehreihen.
Auch das österreichische Ermittlerduo hat Grund zum Feiern und die Zahl 50 ist auch hier von zentraler Bedeutung: Im Krimi „Verschwörung“, der voraussichtlich 2021 im ORF Premiere feiert, ist Harald Krassnitzer zum 50. Mal als Moritz Eisner im Einsatz. Adele Neuhauser, die erstmals 2010 als Bibi Fellner vor der Kamera stand, feiert ihr Zehn-Jahres-Jubiläum.
Mehr als 1100 Fälle
Die erste „Tatort“-Folge „Taxi nach Leipzig“ wurde am 29. November 1970 mit Walter Richter als Kommissar Trimmel im deutschen Fernsehen gesendet. Mehr als 1100 Fälle wurden seither gezeigt. Auch der ORF strahlt fast seit der ersten Stunde die „Tatort“-Krimis aus. Die eigenen ORF-Produktionen haben ebenfalls Tradition: Seit 1971 gibt es bereits heimische Kommissare. Legendär ist Fritz Eckhardt als Oberinspektor Marek, der in den 70er Jahren für 14 Folgen vor der Kamera stand.
Nach vielen weiteren Ermittlern übernahm 1999 der frühere „Bergdoktor“ Krassnitzer den Austro-Ableger. „Nie wieder Oper“ lautete der Titel des 31. ORF-„Tatorts“, in dem Krassnitzer sein Ermittlerdebüt als Chefinspektor Eisner gab. Hatte er anfangs vor, sich nach nur wenigen Folgen wieder zu verabschieden, hat er seine früheren Kollegen bei der Anzahl der Fälle inzwischen längst überholt.
„Das Wichtigste ist, nicht stehen zu bleiben, sondern immer einen frischen Blick auf die eigene Figur zu bekommen“, sagte der Schauspieler, der im Schnitt zwei Mal im Jahr eine Folge dreht. In seinem 24. Fall vom 6. März 2011, „Vergeltung“, arbeitete Eisner erstmals mit Bibi Fellner zusammen. Wie für die deutschen Sendeanstalten ist die allwöchentlich am Sonntag ausgestrahlte Serie auch für den ORF ein verlässlicher Quotenbringer: 2019 hatten die 33 „Tatort“-
Folgen im ORF (nur Erstausstrahlungen) im Jahresschnitt 680.000 Zuseher.
Doppelkrimi zu Ehren
Der 50. Geburtstag der beliebten Fernsehreihe wird am Sonntag nun mit einem Doppelkrimi begangen, in dem die Teams aus München und Dortmund gemeinsam ermitteln. In den „In der Familie“- Filmen geht es um einen Dortmunder Pizzeria-Inhaber und mögliche Mafiaverwicklungen.
Während die Ermittler Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Jan Pawlak (Rick Okon) das Restaurant observieren, reisen ihre Münchner Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in Westfalen an, um einen untergetauchten mutmaßlichen Mörder zu schnappen.
Der Zweiteiler wird am Sonntag und am 6. Dezember gezeigt (20.15 Uhr, ORF 2).
Seelenspiegel der Nation
22 Teams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gelten aktuell als aktiv innerhalb der Reihe. Die TV-Filme sind dabei ein Abbild des deutschsprachigen Raumes – Seelenspiegel und Seismograph der Gesellschaft. Das legte auch der 2018 verstorbene Erfinder Gunther Witte vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) früh in der Entwicklungsphase des Formats fest. Themen wie Rassismus, Gewalt gegen Obdachlose, Drogen, Bestechung, Sextourismus und Terrorismus hielten in der Reihe nach und nach Einzug.
In den 70er Jahren waren die „Tatorte“ dabei meist recht bieder. Den Aufbruch gab es dann ab 1981: In Duisburg hielt mit Kommissar Horst Schimanski (Götz George) das pralle Leben mit Frauengeschichten und Alltagssprache („Scheiße!“) Einzug. In den vergangenen 20 Jahren verstärkte sich der Trend zur Provinzialisierung. Es ging nicht mehr nur um Krimis aus Großstädten. Die Klamauk-Krimis aus dem beschaulichen Münster mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers sind heute die mit Abstand populärsten „Tatorte“.
Experten sehen den Grund für die Langlebigkeit der Reihe gerade darin, dass es eben nicht den einen „Tatort“ gibt. „Manche ,Tatort‘-Standorte haben hervorragende Drehbuchautoren, manche erlauben auch Experimente“, sagt die Kulturanthropologin Regina Bendix von der Universität Göttingen.
Die Abwechslung macht’s
Germanist Stefan Scherer, Karlsruher Institut für Technologie, meint, dass gerade für jüngere, Netflix-erprobte Generationen unbedingt schon etwas dabei sein müsse, dass sich am Kino orientiert.
Die Wiesbadener Folgen um Ulrich Tukur oder das beliebte Weimarer Team um Christian Ulmen und Nora Tschirner seien Beispiele. Großeltern sei das womöglich zu schnell, die bräuchten eher Kammerspielartiges. „Aber ich glaube, das Format ist unverwüstlich.“