Der Film ist ein Podest. Ein Podest für einen Mann, der ein solches verdient hat. Nicholas Winton hat in jungen Jahren 669 Kindern das Leben gerettet. Als Nachfahre jüdischer Großeltern und einer Familie, die einst von Deutschland nach Großbritannien ausgewandert ist, fühlt sich Winton im Jahr 1938 verpflichtet, tschechischen Flüchtlingskindern, viele davon jüdisch, zu helfen. Diese sind in Prag „gestrandet“, nachdem ein Teil des Landes bereits von Nazideutschland okkupiert worden ist.
Nicholas Winton versucht mit vielen Helfern und allen Mitteln, die Kinder nach Großbritannien zu bringen, während die Nazis bereits kurz vor Prag stehen. Viele Jahrzehnte später entschließt sich der bescheidene Mann, seine Taten öffentlich zu machen, und am Ende sitzt er in eine TV-Show, umringt von jenen ehemaligen Kindern, denen er einst eine Zukunft ermöglicht hat.
Lesen Sie auch
Klingt wie Steven Spielbergs „Schindlers Liste“? Ist es auch bis zu einem gewissen Grad. Der britische Fernsehregisseur James Hawes hat in „One Life“ die entscheidenden Jahre im Leben von Nicholas Winter nachgezeichnet, beginnend beim von Anthony Hopkins dargestellten alten Winton, dessen Gedanken in die Vergangenheit schweifen.
Ganz konventionell erzählt Hawes in Rückblenden, mit wie viel persönlichem Einsatz damals Kinder gerettet wurden, wie sie sich von ihren Eltern tränenreich verabschieden mussten und wie diese die Entscheidung treffen mussten, den Kindern ein Leben zu ermöglichen – ohne sie.
Leider bleiben die Helfer von Nicholas Winton fremd, da man kaum etwas über sie erfährt, auch die junge Version Wintons, gespielt von Johnny Flynn, ist meist recht farblos. Auf der Habenseite des Films steht neben der beeindruckenden Geschichte des selbstlosen Mannes, dessen Zivilcourage bis heute Vorbild sein kann, auch, dass Hawes nicht so tief in die Hollywood-Kitsch-Kiste greift, wie das einst Spielberg getan hat. Es hätte aber sicher mehr aus „One Life“ herausgeholt werden können.
Wahre Glücksfälle für den Regisseur waren jedoch Helena Bonham Carter, die Wintons engagierte Mutter spielt, und Anthony Hopkins, der die Zurückhaltung der mutigen Figur herausragend transportiert. Es sind nicht diejenigen, die er gerettet hat, die ihn bis ins hohe Alter umtreiben, sondern jene, die er nicht mehr ins sichere Großbritannien bringen konnte. Sie rauben ihm auch Jahrzehnte nach dem Geschehen noch die Ruhe.
Am Ende gibt es dann doch eine persönliche Erlösung und mit „One Life“ auch ein filmisches Denkmal, das Nicholas Winton zurecht gesetzt worden ist.
Von Mariella Moshammer