Anton Bruckner schrieb bekanntlich keine Oper. Warum nicht, bleibt ein Geheimnis. Zweifelte er in dem bereits längst gängigen Genre an sich selbst? Sicher nicht an seinen Fähigkeiten als Lehrer. Denn er galt als ein gestrenger Pädagoge fürs Komponieren und hatte viele Schüler. Einer unter ihnen war der aus Mähren stammende, für Musik entflammte Max Oberleithner (1868-1935), der zwar nicht wie etwa ein Friedrich Klose, Hans Rott oder Felix Mottl zu seinen Lieblingsschülern zählte, aus der Begegnung mit Bruckner entwickelte sich aber eine Freundschaft mit dem 44 Jahre älteren Meister.
Nicht Lieblingsschüler, aber guter Freund
Der junge Schüler war sehr begabt, kam aus einer angesehenen Unternehmensfamilie in Südtirol, war promovierter Jurist, und brachte es in der Musik durch Fleiß und Interesse zu vielfachen Berufsehren als Kapellmeister, Dirigent und Komponist. Bruckner dürfte seine kompositorische Begabung zunächst nicht sehr geschätzt haben, denn eine kleine Hausaufgabe von Oberleithner kommentierte er einmal mit „das zu schreiben, hätte ich mich nicht getraut“. Dass aus seinem Schüler ein erfolgreicher Opernkomponist auf mehreren Bühnen werden würde, hat der 1896 verstorbene Bruckner ja bedauerlicherweise nicht mehr er erlebt. Vielleicht wäre Oberleithner heutzutage eine bekannte Größe unter den Opernkomponisten.
Riesenerfolg in „Spezialitätenreihe“
Seine Musik ist es absolut wert, bewies am Sonntag in der BlackBox des Linzer Musiktheaters seine großartig von Projektleiter Chefdramaturg Christoph Blitt vorgestellte dreiaktige Oper „Der eiserne Heiland“ auf den Text von Ignaz Michael Welleminsky und Bruno Warden, uraufgeführt 1917 an der Volksoper Wien. Das Musiktheater Linz startete mit dem Werk seine seit sieben Jahren beliebt gewordene Spezialitätenreihe „Oper am Klavier“ und konnte einen Riesenerfolg einfahren.
Zu hören war eine blitzsaubere Partitur dramatischer Effekte, die zur Überraschung aber eigentlich wenig stilistischen Einfluss von Bruckner offenbarte. Oberleithners eigene Musiksprache rückt vielmehr deutlich seine individuelle Stärke in den Vordergrund und erinnert eher an die Ästhetik eines Richard Wagner durch eine spannende Verbindung mit verismoartigen naturalistischen Tendenzen. Nicht umsonst waren auch der große Wagner-Verehrer Bruckner, die Affinität zu Bayreuth und dem dortigen Umkreis an Oberleithners Aufstieg beteiligt.
Ausgesuchte Spitzenkräfte aus dem Ensemble
Seine Oper war jetzt übrigens nicht erstmals in Linz. Nach einer szenischen Aufführung hier vor langer Zeit brachte man das Werk nun im Brucknerjahr mehr als gelegen in Erinnerung, und das im Hochglanz trotz eines ungewöhnlichen Formates. Dass die vier Protagonisten, am Klavier begleitet von Eunjung Lee, am Pult stehend singen, es keine Kulissen gibt und nur Videobilder an den Ort des Geschehens führen oder Chorklänge (Elena Pierini) per Band zu hören sind, verdiente höchste Bewunderung für die wohl ausgesuchten Spitzenkräfte aus dem Theaterensemble: Michael Wagner als der Schmied, Carina Tybjerg Madsen als seine Frau, Alexander York als Pfarrer und Seungjick Kim als Ridicolo.
Man spielt visionär in der rauen Gebirgswelt der Dolomiten um die Zeit des Ersten Weltkrieges, da sich politische Konflikte um Südtirol und Italien zu einem häuslichen Eifersuchtsdrama mit tragischem Ausgang zuspitzen. Zudem gibt es religiöse Anlehnungen in dem Stück mit dem aus Eisen geschmiedeten Heiland am Kruzifix als Untermalung des christlichen Milieus, wo auch das „Vater unser“-Gebet seinen Platz einnimmt.
Das zahlreich erschienene Publikum war sichtlich ergriffen von dem Werk und zeigte sich auch von der musikalischen Bedeutung dieser Oper spürbar beeindruckt. Am Schluss gab es wie auch sonst weiße Rosen für das Sängerquartett.
Von Georgina Szeless