Paula Beer war gerade mit Regisseur Christian Petzold in Frankreich unterwegs, um ihren gemeinsamen Film „Undine“ zu bewerben, als das Coronavirus über Europa hereinbrach.
Nun erscheint der Kinostreifen am 1. Juli. Das VOLKSBLATT sprach mit der 25-jährigen erfolgreichen deutschen Schauspielerin („Das finstere Tal“) über die Zwangspause, mystische Figuren, Liebe und Geld.
VOLKSBLATT: Der Filmstart von „Undine“ steht nun unter einem ganz besonderen Zeichen: Einerseits mussten alle coronabedingt lange auf ihn warten, zum anderen ist er der Neustart ins kulturelle Leben. Wie haben Sie diese „Wartezeit“ in der Corona-Krise erlebt?
PAULA BEER: Ich glaube, es hat vor allem gezeigt, wie wichtig das soziale Leben außerhalb der eigenen vier Wände ist. Ich war zu dem Zeitpunkt mit Christian Petzold in Paris zur Pressearbeit für den Kinostart für „Undine“ in Frankreich.
Wie haben Sie sich die Wartezeit vertrieben?
Ach, ich denke, nicht anders als alle anderen auch. Ich möchte niemanden mit den Dingen langweilen, die man eben macht, wenn man zwei Monate zu Hause ist.
Wie sehr trifft die Pandemie Sie ganz persönlich als Schauspielerin?
Da ich gerade eh keinen Dreh gehabt hätte, ändert es erst mal nichts. Als Schauspielerin hat man immer wieder diese „Leerläufe“, Monate, in denen man nicht arbeitet. Was für Auswirkungen das auf unsere Berufe haben wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
„Undine“ ist nach „Transit“ der zweite Film von Christian Petzold, in dem sie spielen – was schätzen Sie an der Arbeit mit ihm?
Ich mag vor allem Christians Begeisterung für Filme und die Ruhe, mit der er sie erzählt. Christian schafft es, einen komplett druckfreien Raum zu erzeugen, in dem man das Gefühl hat, Zeit spielt keine Rolle. Und vor allem ist es ein Miteinander. Es gibt das Drehbuch und trotzdem habe ich bei jeder Szene das Gefühl, man schaut gemeinsam, wie sie funktioniert. Das macht großen Spaß.
Sie und Franz Rogowski sind in „Undine“ wieder ein nicht ganz gewöhnliches Paar. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Ihnen?
Es macht großen Spaß, mit Franz zu arbeiten. Ich vertraue ihm und Vertrauen hilft beim Spielen immer. Zusammen mit Christian sind wir ein sehr ungleiches Trio, jeder schaut anders auf Film und seine Berufe und gerade das macht das Arbeiten so toll und interessant.
Das Element von Undine ist das Wasser – Ihres auch?
Ich finde Wasser sehr faszinierend, fühle mich auf festem Grund trotzdem wohler. Wasser hat eine unheimliche Kraft und unter Wasser zu sein, ist unglaublich schön, aber auch unwirklich und beängstigend.
Wie war es für Sie, in einer so märchenhaften Verfilmung so eine mystische Figur in einer aber doch so realen Welt zu spielen?
Ich fand das von Christians erster Erzählung an sehr spannend. Es tuen sich so viele Gegensätze auf und genau das machte den Film und das Arbeiten so interessant. Wir waren an keine Vorgaben gebunden und konnten sehr frei experimentieren, wie wir diese Geschichte erzählen wollen, auf welche Arten das alles geht und was uns davon am besten gefällt.
Finden Sie sich in der Figur der Undine? In der Art, wie sie die Liebe sieht?
Ich habe nicht den Ansatz, dass ich meinen Figuren ähnlich sein muss oder will nach den Gemeinsamkeiten suchen. Undine ist voller Hoffnung für die Liebe und sehnt sich nach nichts mehr, andererseits ist sie auch bereit — beziehungsweise durch ihren Fluch eher gezwungen — einem Betrug mit der höchsten Gewalt zu antworten. Ich mag an ihr vor allem das Vorurteilsfreie. Dass sie in jedem neuen Partner die Liebe zu finden meint und nicht irgendwann aufgibt.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Vor allem im Dialog mit Christian Petzold. Wir haben viel über unsere Undine gesprochen, was wir beide in dem Stoff und der Figur sehen. Darüber hinaus habe ich mich viel mit Märchen und Mythen beschäftigt.
Sie sind schon mit Auszeichnungen überhäuft worden, ist der Silberne Bär für Ihre Rolle in „Undine“ so etwas wie der vorläufige Höhepunkt Ihrer Karriere?
Auszeichnungen und Preise sind ein großes Geschenk, weil sie Wertschätzung und Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit bedeuten. Deswegen bin ich überglücklich, den Silbernen Bären bekommen zu haben und es ist wirklich ein verdammt schöner Preis. Gleichzeitig ist mein Beruf das Spielen. Und eine tolle Rolle ist meist die langwierigere Freude.
Sie sind sehr früh ins Schauspielgeschäft eingestiegen — gab es jemals eine Alternative für Sie?
Keine, die mein Interesse von der Schauspielerei gelenkt hätte.
Es ist zwar schon einige Jahre her, aber wie war es für Sie, in „Das finstere Tal“ ein Mädchen aus einem Alpendorf zu spielen?
Am Anfang, bei den Castings, ganz normal. Da ging ich noch nicht davon aus, dass ich am Ende mit Akzent spielen sollte. Das war dann tatsächlich wie eine neue Sprache zu lernen, weil man auf so viel beim Reden achten muss und es damit jede Beiläufigkeit verliert. Es hat aber enorm Spaß gemacht und mir für die Figur der Luzi sehr geholfen. Jeder Dialekt hat eine Wesensart. Und unser Film-Tirolerisch ist schon sehr anders zu meiner Alltagssprache.
In der Serie „Bad Banks“ geben sie eine junge Investmentbankerin — ein Beruf (und Leben), das Sie sich vorstellen könnten? Oder ist das ganz ganz weit von Ihrem Leben weg?
Nein, das wäre überhaupt nichts für mich. Ich kann die Faszination, die Menschen für Geld und vor allem das Geldvermehren und das damit einhergehende Adrenalin haben, verstehen, aber ich sehe den vorherrschenden Materialismus und die stark vom Kapitalismus geprägt Gesellschaftsstruktur sehr kritisch.
Serie VS. Film — was ist als Darstellerin angenehmer zu drehen? Wofür können Sie sich mehr begeistern?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Ein Seriendreh ist vor allem länger. Für mich geht es immer um die Figur. Wenn die toll ist, macht eine Serie großen Spaß, weil man so lange an ihr arbeiten kann und eine ganz andere Möglichkeit als im Film hat, sie zu erzählen. Aber im Film herrscht auch eine andere Poetik vor als in den meisten Serien.
Regisseur Francois Ozon hat Sie mit Romy Schneider verglichen. Macht Ihnen das Druck oder ist es einfach schön?
Ich finde es vor allem schön. Man selbst sieht mögliche Gemeinsamkeiten wahrscheinlich noch weniger, aber wenn ein Kompliment bedeutet „du erinnerst mich an …“ ist das schon eine große Ehre.
Mit PAULA BEER sprach Mariella Moshammer