Rock’n’Roller um halb sieben: Queen-Drummer Roger Taylor wird 75

Pulsgeber und kritischer Geist mit beachtlichem Solo-Output und bewegtem Liebesleben

Auch so hätte es kommen können – als Mitmusiker von Genesis oder als Traummann an der Seite von Debbie Harry oder als unscheinbarer Zahnarzt in London. Das Universum hatte jedoch anderes mit ihm vor. Queen-Drummer Roger Taylor ist 75.

Roger Meddows Taylor (so sein voller Name) wurde am 26. Juli 1949 mit einem mächtigen Fingerzeig des Schicksals in King’s Lynn im Osten Englands geboren, wo nämlich die nagelneue Entbindungsstation von der angehenden Queen Elizabeth II. eröffnet wurde, die den ebenfalls angehenden Queen persönlich begrüßte.

Erster gesanglicher Schliff im Kirchenchor

Acht Jahre später übersiedelte die Familie in den Südwesten nach Cornwall, wo sich Klein-Roger den ersten gesanglichen Anschliff im örtlichen Kirchenchor holte. Das instrumentale Interesse mäandrierte von der Ukulele zur Gitarre bis hin zu Kochtöpfen und Stricknadeln im Haushalt von Mutter Winifred. Dieser Neigung zum Krawall wurde durch eiligen Ankauf erster Trommeln entgegengewirkt, bis sich der Teenager ausreichend gewappnet fühlte, sich in lokalen Boybands zu versuchen – als Leadsänger gelangte er schlussendlich zu regionaler Berühmtheit.

Smile kommt nicht vom Fleck

Nach Schulabschluss ging er nach London, um Zahnheilkunde zu studieren, ohne freilich sein Faible für Musik aus den Augen zu verlieren. Ein Kollege machte ihn auf einen Aushang am Imperial College aufmerksam, wonach „ein Drummer Typ Mitch Mitchell/Ginger Baker“ gesucht würde. Taylor griff zum Hörer, die Kontaktaufnahme mit Brian May sollte weitreichende Folgen nach sich ziehen. Mit Sänger Tim Staffell gründete das Trio die Band Smile, die in den folgenden zwei Jahren trotz Studioaufnahmen inklusive Plattenveröffentlichung nicht recht vom Fleck kam und sich folglich auflöste. Ein Angebot der befreundeten Band Genesis kam da gerade recht, Taylor lehnte dennoch ab.

Kleiderstand am Kensington Market

Ein Studienkollege Staffells tummelte sich immer wieder in der Smile-Entourage und freundete sich mit Taylor an. Notorisch knapp bei Kasse eröffneten die beiden am Kensington Market einen Kleiderstand und schmiedeten musikalische Pläne, nachdem Taylor zwischenzeitig studienmäßig auf Biologie gewechselt und sogar einen Abschluss zuwege gebracht hatte. Mit dem Ende von Smile erhob besagter Freund die Stimme, schlug den Bandnamen Queen vor und empfahl sich als neuer Sänger. Sein Name: Farrokh Bulsara, bald besser bekannt als Freddie Mercury.

Blond, blauäugig, gut aussehend – Taylor war der Band-Aufputz, der Mädchenherzen höher schlagen ließ. Vor allem in Japan verschuldete er Mädel-Kreischpegel vom Kaliber Beatles & Co. Taylor gilt nicht unbedingt als hochvirtuoser, aber als doch solider Schlagwerker mit sofort erkennbarem Stil und Sound. Bassist John Deacon und er sind unnachgiebige Pulsgeber der Queen-Musik, mit Gitarrist May verbindet ihn nach all den Jahren bis heute – Queen und Adam Lambert treten nach wie vor live auf – ein brüderliches Verhältnis und blindes Einvernehmen.

Die Höhen, für die Mercury keine Kraft hatte

Entscheidend für den Banderfolg war aber auch seine Gesangsfähigkeit, hinsichtlich stimmlicher Reichweite stand er Mercury um nichts nach – für Spezialisten: die höchste aufgenommene Note ist ein E der Oktave 6. Bei den gut 700 Live-Shows übernahm Taylor oft die Höhen, für die Mercury nicht immer die Kraft hatte. In jedem Fall ist Taylor aber zu den immer weniger werdenden, echten Rock’n’Rollern zu zählen, die dem Frohsinn niemals abhold sind – mondäner Landsitz, Jacht und Skiurlaube in Zermatt inklusive.

Auf jedem der 15 Queen-Studioalben ist er zumindest mit einem selbstverfassten Song vertreten, wobei er nicht nur für die Lead-Vocals verantwortlich zeichnet, sondern meist auch sämtliche Instrumente selbst spielt. Zu seinen erfolgreichsten Hits zählen „Radio Ga Ga“, „A Kind Of Magic“ und „These Are The Days Of Our Lives“.

Er installierte einen Synthesizer

Guten Riecher bewies er, als er 1975 nach heftigen Hahnenkämpfen durchsetzte, seine „autoerotische“ Komposition „I’m In Love With My Car“ als B-Seite der geplanten Auskoppelung von „Bohemian Rhapsody“ zu platzieren – die Tantiemen flossen reichlich. In den 1980er-Jahren änderte sich der Queen-Sound radikal, nachdem Taylor erstmals einen Synthesizer im Studio installierte, dessen Verwendung die Band für die ersten sieben Platten kategorisch verweigerte.

1977 scherte er als erster aus dem Bandverbund aus und veröffentlichte eine Solo-Single. Darauf folgten bis 2021 sechs Solo-Alben, das kurzlebige Bandprojekt The Cross förderte weitere drei Alben zutage. Was ihm innerhalb von Queen nicht möglich war, nutzte er bei seinen Alleingängen ausgiebig: seine ungespitzten politischen Statements, sei es gegen Medien-Zar Rupert Murdoch, gegen Neonazis oder kriegstreibende alte Herren.

In Sachen Liebesleben war Taylor nie ein Kind von Traurigkeit, für ein Techtelmechtel mit Debbie Harry (Blondie) gibt es Internet sei Dank eindeutige Fotobeweise. Drei langjährige Beziehungen führten zu zwei Verehelichungen und fünf Kindern, eines davon, Rufus – ganz der Papa! -, trommelt für die englische Rockband Darkness.

Über 50 Jahre Rock’n’Roll forderten allerdings ihren Tribut: 2011 gab Taylor bekannt, nahezu gehörlos zu sein, weshalb er sich notgedrungen eine immer gleichlautende und durchaus sinnbefreite Antwort zurechtgelegt hat. Auf die Frage, ob er alles noch einmal genau so machen würde, bekäme man somit wohl zur Antwort: „Halb sieben!“

Von Winfried Radl

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