Wenige Tage vor Bekanntgabe ihres Programmes für 2025 trennen sich die Salzburger Festspiele von ihrer Schauspielchefin. „Infolge von Verstößen gegen vertragliche Dienstpflichten, insbesondere durch die weder angezeigte noch genehmigte Tätigkeit Marina Davydovas bei einem Berliner Theaterfestival, haben die Salzburger Festspiele das Dienstverhältnis mit Marina Davydova mit sofortiger Wirkung aufgelöst“, hieß es am Donnerstagnachmittag in einer Aussendung.
„Die Beschlussfassung des Direktoriums, Kristina Hammer, Markus Hinterhäuser und Lukas Crepaz, wurde dem Kuratorium vorgelegt und von diesem genehmigt. Das Direktorium der Salzburger Festspiele bedauert diese Entwicklung außerordentlich.“ Die Bekanntgabe von Davydovas eigentlich bis 2026 laufendem Engagement erfolgte vor genau zwei Jahren und vier Tagen. Davydova war gegenüber der APA am Donnerstagnachmittag zu keiner Stellungnahme bereit.
Ihre vergangene erste Saison war vor allem von den Turbulenzen rund um die überraschend angesetzte „Jedermann“-Neuinszenierung geprägt. Ansonsten fiel ihr Schauspielprogramm durchwachsen aus und ließ etwa bei Thom Luz‘ Interpretation von Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ und Nicolas Stemanns „Orestie“-Projekt manche Zuschauer ratlos zurück.
Schauspielleitung wird neu ausgeschrieben
Aus Kuratoriumskreisen hieß es, dass sich Davydova auch mehrmals öffentlich kritisch über die Festspiele geäußert und bei Dienstreisen die Grenze zu Privatreisen nicht immer klar gezogen haben soll. „Vor allem aber hat sie offenbar im Schauspiel nicht geliefert, was man von ihr erwartet hat“, so ein Kuratoriumsmitglied zur APA. Das Kuratorium hat außerdem beschlossen, dass die Schauspielleitung neu ausgeschrieben wird.
Dem Vernehmen nach wurde Davydova ihre Tätigkeit für das am 2. November gestartete und noch bis Freitag laufende neue „Voices. Performing Arts Festival“ in Berlin zum Verhängnis. Im Webauftritt des Festivals ist sie derzeit als „advisory board member“ geführt. Seitens der Salzburger Festspiele heißt es, dass ihre dortige Aufgabenbezeichnung erst nach Versand der heutigen Pressemitteilung geändert und zuvor Davydova als Teil des „artistic commitee“ genannt worden sei.
Als Teil des Programms wurde Davydovas 2022 geschriebenes Stück „Land of No Return“ erstmals auf Russisch gelesen. Laut Eigendefinition schafft das Festival „Raum für künstlerische Stimmen, die aufgrund aktueller persönlicher und kollektiver Traumata zu verstummen drohen. Im Mittelpunkt der Musik-, Theater- und Tanzproduktionen an verschiedenen Spielorten in Berlin stehen Künstlerinnen und Künstler aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die zum Teil in jüngster Zeit von dort geflohen sind, zum Teil aber auch in ihrer Heimat weiterarbeiten und neue Wege finden müssen, sich Gehör zu verschaffen.“ Unter den auftretenden Künstlern und Ensembles findet sich auch das Klangforum Wien.
Bereits bei den Wiener Festwochen Teil von Hinterhäusers Team
Die 1966 im aserbaidschanischen Baku geborene Theaterwissenschafterin hatte mit Intendant Hinterhäuser bereits 2016 als Schauspielkuratorin bei den Wiener Festwochen zusammengearbeitet. Ihr 1998 gegründetes Festival „Neues Europäisches Theater“ (NET) war für den russischen Theaterboom mitverantwortlich, dem Putins Politik ein Ende setzte. Als sie 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine eine Petition verfasst hatte, in der Russland zur Einstellung der Kampfhandlungen aufgefordert worden war, war sie Drohungen ausgesetzt und floh in den Westen.
Im Interview anlässlich ihrer Bestellung in Salzburg ortete sie gegenüber der APA „eine Seelenverwandtschaft, eine – wie es bei Goethe heißt – Wahlverwandtschaft“ zwischen Hinterhäuser und ihr. „In Bezug auf die Kunst teilen wir gemeinsame Zugänge. Wir schätzen dasselbe an der Kunst – und auch unsere Einschätzungen decken sich fast immer.“ In eigener Sache scheint sie sich nun verschätzt zu haben.