Von Mariella Moshammer
Das Schicksal von Johann Gruber macht noch immer betroffen und offenbart die Grausamkeit eines Systems, dessen lange Schatten uns noch heute achtsam sein lassen sollen.
Gemeinsam mit Thomas Schlager-Weidinger von der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz hat Christoph Freudenthaler, u.a. Vorsitzender des Vereins „Plattform Johann Gruber“, nun das Buch „Dr. Johann Gruber – Annäherung und Anstoß“ herausgegeben, in dem sich 20 Autoren mit der Persönlichkeit Grubers, den historischen Gegebenheiten des Lagerkomplexes Gusen/St. Georgen und der Gedenkarbeit auseinandersetzen.
Er baute im Untergrund des KZ ein Hilfswerk auf
Am 20. Oktober 1889 wurde Johann Gruber in Tegernbach bei Grieskirchen geboren. Er wurde Priester der Diözese Linz und 1938 als Direktor der Linzer Blindenanstalt wegen seiner Ablehnung des Nationalsozialismus und eines angeblichen Sittlichkeitsdelikts von der Gestapo verhaftet. Er kam ins KZ Dachau, später nach Gusen, wo er im Untergrund ein Hilfswerk aufbaute.
„Papa Gruber brachte mir zu essen. Ein Mithäftling erhielt die Kommunion aus der Hand des Priesters. Ich zeigte ihm, dass ich auch danach Verlangen hatte, denn die Kommunion war meine Hoffnung. Er schaute mich lange und sehr lieb an: ‚In deinem Zustand, in diesem Moment, ist die Suppe wichtiger als die Hostie, meine Kinder, es ist eine Rübensuppe.‘ Nach meiner Freilassung habe ich diesen Satz einem Prälaten in Bordeaux erzählt. Auch er schaute mich lange an: ‚Das war ein Heiliger.‘“, berichtete der ehemalige Gusen-Häftling René Dugrand später.
Gruber kochte für seine Mitgefangenen, schmuggelt Medikamente und Bücher ins Lager, Nachrichten hinaus und schenkte so, was für immer verloren schien: Hoffnung.
Im März 1944 flog Grubers Hilfswerk auf, am 4. April kam er in den Lagerbunker. Drei Tage lang wurde der Priester vom Lagerführer Fritz Seidler gequält. Am 7. April, dem Karfreitag des Jahres 1944, starb Johann Gruber an den schweren Misshandlungen, begleitet von den Worten Seidlers: „Du sollst verrecken, wie Dein Meister, zur dritten Stunde.“
Mehr als sieben Jahrzehnte später wurde Johann Gruber vom Gericht rehabilitiert und klar gestellt, dass der Schuldspruch, der ihm das Leben gekostet hatte, einzig ein „Akt nationalsozialistischer Willkür“ war.
Die Bedeutung Johann Grubers für die Gegenwart
In der neuen Publikation setzen sich die Autoren mit unterschiedlichsten Aspekte der Person Johann Gruber und ihrer Wirkung auseinander. So beschäftigt sich etwa Sieglinde Witzany mit der „Bedeutung Johann Grubers für die Gegenwart“.
Witzany, seit vielen Jahren in der Gedenkarbeit in St. Georgen/Gusen engagiert, war Mitglied des „Gedenkdienstkomitees Gusen“ und ist Gründungsmitglied des „Papa-Gruber-Kreises.“ Thema ihres Beitrags ist nicht nur die Sozialisation Grubers, sondern auch seine Rolle als Vorbild in heutigen Zeiten.
„Johann Gruber ist ein brauchbares Modell, wie man Lebens- und Sinnkrisen präventiv begegnen kann und wie förderlich Begegnung und Bindung für die Entwicklung von Urvertrauen und Empathie ist“, schreibt Witzany und fährt an anderer Stelle fort: „Betrachtet man Grubers Ende, das im Folterkeller des Konzentrationslagers Gusen in ein qualvolles Sterben mündet, ist man vielleicht geneigt, sein Leben als gescheitert zu bezeichnen. Er hat das NS-Regime nicht aus den Angeln gehoben (…). Was ihm aber gelungen ist, das ist die Rettung zahlreicher Kameraden (…).“
„Das Schicksal Dr. Johann Grubers steht dafür, dass es in brutalen Zeiten und unter unmenschlichen Bedingungen möglich ist, Menschlichkeit zu leben“, betont Landeshauptmann Thomas Stelzer im Geleitwort des Buches: „Es zeigt aber auch, wie schwer es der österreichischen Gesellschaft in den Jahren und Jahrzehnten nach Ende des 2. Weltkrieges gefallen ist, die mörderische Brutalität des NS-Regimes zu akzeptieren und die Opfer zu rehabilitieren.“
Ein anderes Kapitel in „Dr. Johann Gruber – Annäherung und Anstoß“ beschäftigt sich mit der „Sammlung Freudenthaler“ zu Johann Gruber und der damit verbundenen Gedenkarbeit. Der Theologe Freudenthaler hat dafür über 5000 Dokumente zusammengetragen, die unter www.dioezese-linz.at einsehbar und zum Teil auch digital abrufbar sind.
„Die Idee der Sammlung all dieser Unterlagen ist dem Anliegen der Gruber-Gedenkorganisationen geschuldet, die Persönlichkeit Johann Grubers vielen Menschen und vor allem auch jungen Menschen sowie einschlägigen Forscherinnen und Forschern zugänglich zu machen, ihn und die Opfer des Nationalsozialismus vor dem Vergessen zu bewahren und sein Leben, seinen Glauben und sein Martyrium mit unserer Zeit in Berührung zu bringen“, so Freudenthaler.