Eine originelle, kompakte und viele Emotionen auslösende Uraufführung der Oper „Benjamin Button“ von Reinhard Febel ging am Samstag über die Bühne des Linzer Musiktheaters. Dem auf einer Erzählung von F. Scott Fitzgerald basierenden Auftragswerk des Landestheaters gelingt es in der durchdachten und effektvollen Inszenierung Hermann Schneiders, sich von seinen Vorgängern – das Thema wurde 2008 verfilmt – in Form und Wirkung zu emanzipieren.
Weil auch das Libretto vom Komponisten stammt, bilden Text und Musik weitgehend eine Einheit, die auf einige Zitate zurückgreifende Musik führt freilich oft ein freies, künstlerisch eigenständiges Leben, das der Gegenwart verpflichtet ist.
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Benjamin Button, Sohn einer Fabrikanten-Familie, deren ostinates Motto „Nägel und Schrauben halten die Welt zusammen“ lautet, kommt als Greis 1860 zur Welt und entwickelt sich in über 90 Jahren Lebenszeit „rückwärts“ zum Baby, das in seine „Geburt“ entschwindet.
Naturgemäß löst diese Dauer-Fiktion in der betroffenen Umgebung (und auch beim Publikum?) jede Menge Unverständnis, Irritationen und Emotionen aus, doch der Partnerschaft Buttons zu einer „Jugend“ – Freundin, der späteren Sängerin Hildegarde Montcrief sind auch glückliche Zeiten beschieden. Als sich die Schere zwischen Buttons Jünger- und Hildegardes Älter-Werden zunehmend öffnet, sinniert letztere wie die Marschallin im Rosenkavalier sehr treffend „Die Zeit ist ein sonderbar Ding“…
Doch die unbarmherzige Gegenläufigkeit von Verjüngung und Altern wird von Konstanten begleitet, die der Handlung chronologisch-neutralen Halt geben: Vier zeitlose Spielfiguren in den Farben Rot, Blau, Gelb und Schwarzweiß, und zwei „Zeitungsjungen“, die die meist kriegerischen Sensationen der jeweils aktuellen Zeit ausrufen. Sie agieren alle sechs auf der phantasievollen Bühne (Dieter Richter) so wie der Greis Button in Vollmaske (originelle Masken wie Kostüme: Meentje Nielsen).
Die zwischen romantischen und jazzigen Tönen und freier Tonalität pendelnde und sehr fordernde Musik wird vom Bruckner Orchester unter der präzisen Leitung Ingmar Becks intensiv gestaltet. Martin Achrainer glänzt stimmlich und schauspielerisch in der Titelrolle und findet in Carina Tjyberg Madsen (Hildegarde) eine kongeniale Partnerin. Die kindlichen Pendants dieser zentralen Personen werden von Gabriel Federspieler, Christian Körner und Sophie Bareis sympathisch verkörpert.
Michael Wagner und Gotho Griesmeier agieren als Elternpaar Button gekonnt in tragikomischem Wechselspiel, perfekt begleitet von Matthäus Schmidlechner als Arzt Dr. Keene. Jonathan Hartzendorf und Alexander York geben den Zeitungsjungen passendes Profil ebenso wie Fenja Lukas und Manuela Leonhartsberger den Kinder – und Hausmädchen. Die episodischen Gestalten eines Wanderpredigers und Straßenmusikers finden in Michael Dumovski und Ulf Bunde adäquate Verwirklichung. Sehr engagiert und effizient: Der von Elena Pierini einstudierte Chor, Kinder- und Jugendchor des Landestheaters. Dauerhafter Applaus für alle Mitwirkenden und das Leading Team.
Von Paul Stepanek