„Oh Gott, Stella, bist du doof!“ Ihre Freunde und Bandkollegen können nicht fassen, dass die junge Stella die Gefahr nicht erkennt, die sie alle umgibt. Die Nationalsozialisten haben die Macht in Deutschland übernommen, die Situation für die jüdische Bevölkerung wird zunehmend gefährlicher. Und Stella ist Jüdin, wobei sie auch damit hadert. „Ich seh‘ doch gar nicht aus wie ’ne Jüdin!“, sagt die Blonde und Blauäugige erbost.
Regisseur Kilian Riedhof hat sich in seinem Spielfilm „Stella“ einer wahren Geschichte angenommen. Eine Geschichte, die sich nicht einfach erzählen lässt.
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Ein komplexes Feld, das die Regie nur bedingt entblößt
Die Jüdin Stella Goldschlag lieferte Juden an die Nazis aus. So lässt sich in einfachster Weise festhalten, was in den 1940ern in Berlin vorgefallen ist. Was dazu führte, welche sowohl von außen als auch von innen wirkenden Kräfte die junge Frau einst zu diesem Verrat trieben, ist ein komplexes Feld, das Riedhof nur bedingt entblößt.
Stella will sich die Laune nicht verderben lassen, will ihre Jugend auskosten und ihre Leidenschaft, das Singen, zum Beruf machen. Hier ist „Stella“ ganz stark. Der Film zeigt, wie die Grausamkeit und Perversität des Nationalsozialismus in jedes einzelne Leben eindringt, wie die Gefahr für jede und jeden immer größer wird, sie aber nicht bemerkt wird oder nicht bemerkt werden will.
Man möchte Stella schütteln und sie dazu bringen, den schrecklichen Tatsachen ins Antlitz zu sehen. Gleichzeitig ist das Verständnis groß dafür, dass Stella ihre Augen verschließt, um weiterleben zu können, so wie sie es sich vorstellt.
Die junge Frau wird von der Realität eingeholt
Doch auch die junge Frau holt die beinharte Realität ein, die frisch verheiratete Jüdin findet sich als Zwangsarbeiterin in einer Fabrik wieder, doch nachts geht sie verbotenerweise auf die Straße, trifft sich mit Nazis. Ihr Mann kommt in ein Konzentrationslager.
Mit Rolf Isaaksohn (gewohnt charismatisch und gefährlich: Jannis Niewöhner) verkauft sie gefälschte Pässe, setzt hier schnell auf den eigenen Vorteil denn auf Empathie. Als die Gestapo sie festsetzt, sie brutalst foltert und droht, ihre Eltern ins KZ zu schicken, entscheidet sich Stella für den anderen Weg und verrät Juden. Auf den Berliner Straßen ist sie bald gefürchtet, ein Kopfnicken von ihr bringt Menschen den Tod. Gemeinsam mit dem charmant-skrupellosen Rolf scheint sie immer mehr Gefallen an dieser Macht zu finden, ihr Vorgehen wird immer brutaler.
Auf der Anklagebank stellen sich die entscheidenden Fragen
Irgendwann — Krieg und NS-Herrschaft sind vorbei — wird Stella auf einer Anklagebank enden, spätestens hier stellen sich die entscheidenden Fragen: Hatte sie eine Wahl? Hätte sie sich und ihre Eltern opfern sollen? Hat Stella Goldschlag aus Antisemitismus gehandelt?
Manchen Antworten widmet sich der Film, anderen nicht — und vergibt damit einige Chancen, dieser komplexen Geschichte auf den Grund zu gehen. Leider verlässt sich Riedhof allzu oft auf zu konventionelle und einfache Erklärungen und beeindruckende Bilder. Nichtsdestotrotz überzeugt Hauptdarstellerin Paula Beer („Roter Himmel“) als schwer fassbare Stella, die sich in kein Schwarz-Weiß-Schema pressen lassen will.
Von Mariella Moshammer