Der 1. Oktober 1924 markiert den Geburtstag des Radios in Österreich – startete damals doch das erste reguläre Radioprogramm. Zwar erfolgte das noch unter Führung des einstigen Kriegsministeriums, das Datum markiert aber auch den Start des Österreichischen Rundfunks und in der Folge des ORF. Mit der Sonderausstellung „100 Jahre Radio. Als Österreich auf Sendung ging“ im Technischen Museum Wien (TMW) erinnert man nun an die Goldene Zeit des Mediums und blickt in die Zukunft.
Mit der Durchsage „Hallo, hallo! Hier Radio Wien auf Welle 530“ nahm Anfang Oktober 1924 die Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) ihren Sendebetrieb auf. Heute – nahezu punktgenau 100 Jahre später – stehe man quasi wieder an der Schwelle zu einem „neuen Radiojahrhundert“, erklärte der Chefkurator der Schau, Wolfgang Pensold, der den historischen Abriss über das „erste Massenmedium der Moderne“ u.a. mit Kollegen vom TMW-Forschungsinstitut und in enger Kooperation mit dem ORF gestaltete. Zahlreiche Privatradios, Streaming, der Podcast-Hype, Webradios sonder Zahl, die Radio-Digitalisierung und andere Entwicklungen weisen bereits seit längerem den Weg.
Aber: „Video hat das Radio nicht gekillt“, wie es in dem Hit der Band „The Buggles“ aus dem Jahr 1979 an die Wand gemalt wurde, betonte ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher, am Mittwoch bei der Präsentation der Ausstellung, die am Samstagabend (5. Oktober) im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ ihre Pforten öffnen wird. Auf 800 Quadratmetern widmet man sich gemeinschaftlich der Historie des Radios und damit verwandter Themen. Dazu gibt es auch ein neues Buch mit dem Titel „Österreichs Radiogeschichte. Vom Detektorempfang zum Streamingprogramm“, das als Begleitband zu der Ausstellung fungiert.
Der historische Rundgang durch die wechselvolle und in Österreich auch konfliktreiche Historie des Mediums wird auch Afficionados gerecht, hat man sich doch im TMW in den reich gefüllten Fundus an Gerätschaften vertieft und entsprechend viele Systeme in die Schau gepackt. Man müsste schon die vergangenen Jahrzehnte unter einem Stein verbracht haben, um nicht zumindest ein Gerät zu finden, das einmal den eigenen oder Haushalt eines Angehörigen geprägt hat – manchmal auch durch seine schiere Größe.
Der Kampf um die Unabhängigkeit der Inhalte, die über den Austro-Äther geschickt wurden, ziehe sich wie ein Roter Faden durch die Ausstellung, sagte TMW-Generaldirektor Peter Aufreiter. Und: Die Radiogeschichte war über viele Jahrzehnte hinweg eigentlich deckungsgleich mit der Geschichte des ORF, der das Jubiläum dieser Tage mit einem multimedialen Schwerpunkt umfassend begeht. Wie lange das Radio mitunter den Lead vor dem Fernsehen hatte, lässt sich anekdotisch etwa am „I werd narrisch“-Sager nach dem legendären Tor zum 3:2 gegen Deutschland bei der WM in Argentinien 1978 ablesen – den Eduard „Edi“ Finger damals nämlich im Radio beisteuerte.
So gibt die Schau auch an mehreren Stellen dem von Hugo Portisch initiierten Rundfunk-Volksbegehren (1964) die Ehre, in dessen Folge letztlich der ORF vom direkten Zugriff der Politik befreit – und in die Quasi-Alleinregierung des einflussreichen Generalintendanten Gerd Bacher manövriert wurde, wie Pensold ausführte. Ein Faktum, das dann ebenfalls einer Reparatur bedurfte.
Das galt auch für viele, teils wirklich archaische Empfänger, die Radiopioniere mittels Bausätzen und Bastelanleitungen anfertigten. Weiters führt die Schau auch zu den dunklen Seiten der Radiogeschichte, als es unter den Nationalsozialisten zum durch den „billigen Volksempfänger“ verbreiteten Propagandainstrument verkam.
Gezeigt werden in der Schau, die von der Österreichischen Mediathek eine starke Online-Ergänzung mit O-Tönen jeder Art erfährt, neben allerlei Endgeräten – jüngere Semester werden in ihrem Nostalgiebegehren eher gegen Ende der Schau fündig – auch Hardware zum Ausstrahlen des Programms, Original-Schallplatten, mit denen Ö3 in den 1970ern seine Unterhaltungsschiene bestritt, noch deutlich ältere Schellackplatten, aber auch Gestapo-Akten über Menschen, die dem Hören von „Feindpropaganda“ überführt wurden, und die mit drakonischen Sanktionen bis zur Todesstrafe bedroht waren.
Informationen zur Sonderschau: technischesmuseum.at; Webausstellung: mediathek.at; Technisches Museum Wien (Hg.): „Österreichs Radiogeschichte. Vom Detektorempfang zum Streamingprogramm“, Kral Verlag, 24,95 Euro, 171 Seiten. ORF-Schwerpunkt: oe1.orf.at