Der 32-jährige Kalifornier Austin Butler hat sich in seiner noch nicht mal zehn Jahre dauernden Kinokarriere einen exzellenten Ruf als überaus wandlungsfähiger Schauspieler erarbeitet. Mit seiner Interpretation von Elvis Presley im Biopic „Elvis“ wurde er endgültig zum Star. Er erntete Publikumsjubel, Kritikerlob und viele Auszeichnungen bis hin zu einer Oscarnominierung. Mit „The Bikeriders“ festigt er seinen Ruhm nun scheinbar mühelos.
Der charismatische Schauspieler verkörpert den Motorradfan Benny. Im kleinstädtischen Bikerclub namens „Vandals“ ist er nicht allein der Liebling des Chefs (Tom Hardy). Alle respektieren ihn, was ihn glücklich macht. Wenn die Motoren aufheulen, markige Sprüche geklopft und Unmengen Alkohol getrunken werden, geht’s Benny gut. Doch da ist auch die geliebte Kathy (Jody Comer). Sie entspricht gar nicht dem Klischee der braven Biker-Braut, lässt sich nicht auf die Rolle der Frau an seiner Seite ein. Konflikte sind also unausweichlich.
An klassische Hollywoodepen erinnernd
In einer Schlüsselszene des mit optischem Schick an klassische Hollywoodepen erinnernden Films läuft im Fernsehen das Drama „Der Wilde“. 1953 wurde Marlon Brando (1924-2004) damit als Boss einer Motorradgang zum Idol seiner Generation. Brandos zugleich von Sensibilität und Brutalität geprägter Stil wird für alle „Vandals“ zum Vorbild. Ebenso für das Spiel von Austin Butler. Fans des Kinos der Brando-Ära dürfen aber staunen: Butler kopiert das legendäre Vorbild nicht. Ihm gelingt eine eigenständige Charakterstudie.
Noch in kleinsten Rollen exzellent besetzt, beispielsweise mit Michael Shannon („Nocturnal Animals“), prägt sich die Engländerin Jodie Comer („Free Guy“) besonders ein. Denn die von ihr mit schier berstender Vitalität gespielte Kathy erzählt dem Publikum die Story vom erst glanzvollen Aufstieg zu Ruhm und Ehre und dann dreckigen Absturz der „Vandals“ in Gewalt und Kriminalität. Ohne vordergründige Szenen oder Dialogzeilen gelingt es ihr, die zur Zeit der Handlung gängigen, heute völlig antiquiert anmutenden Geschlechterrollen ad absurdum zu führen. Großartig!
Alltag von Motorradgangs
Im Film ist es ein Reporter und Fotograf, dem Kathy alles berichtet. Regisseur Jeff Nichols huldigt damit der Quelle, die ihn inspiriert hat, einem Bildband von Danny Lyon. Basierend auf Interviews und Beobachtungen hat der jetzt 82-Jährige vor zehn Jahren in seinem Buch „The Bikeriders“ den Alltag wirklicher Motorradgangs in den USA zur Zeit des Vietnamkriegs verewigt. Davon angeregt, hat Nichols die Geschichte seines Spielfilms entwickelt.
Die schönsten Momente der gelegentlich schockierend gewaltgetränkten Filmerzählung sind jene, in denen ganz leise die Liebe gefeiert wird. Man wird im Kinositz vom Knistern zwischen Jodie Comer und Austin Butler elektrisiert. Was nicht in Sentimentalität ertrinkt. Bei aller Lust am Beschwören großer Gefühle, zeigt der Film deutlich: Die menschliche Dummheit verwandelt selbst den siebenten Himmel in eine Hölle. Und aus der gibt es kein Entrinnen, weder mit flotten Sprüchen noch auf den PS-stärksten Bikes.
Von Peter Claus