Carlo Goldoni und Franzobel können nichts dafür: Deren zwar unterschiedliche, aber dramaturgisch hochwertige Fassungen der „Trilogie der Sommerfrische“ gehen am Linzer Schauspielhaus in einem Panoptikum überzogener Figuren unter. Extrem-Skurrilität statt Komödie in einem dreistündigen Theaterabend. Premiere war am Samstag.
Die „Trilogie der Sommerfrische“ von Carlo Goldoni – ursprünglich tatsächlich für drei Abende gedacht und 1761 uraufgeführt – ist ein Sitten- und Gesellschaftsbild seiner Zeit. „Sommerfrische“ bedeutet zwar den Aufenthalt des Adels am Land, hat aber ganz andere Motive und Zielsetzungen als Urlaub und Erholung. Vielmehr geht es darum, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, „netzwerken“ der gehobenen Kreise würde man heute sagen.
In Goldonis Stück dient die Sommerfrische zweier Familien aber noch einem weiteren Zweck: Man ist völlig verschuldet und versucht, durch Heirat finanziell den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Das trifft im Besonderen auf Orgoglio zu, der durch die Ehe mit Cittadella und deren Mitgift seine Schulden loszuwerden hofft.
Dass Cittadella gar nicht heiraten will und einen anderen liebt, ist nur Teil der weiteren Verwicklungen rund um den alles andere als „erfrischenden“ Aufenthalt in ländlichen Gefilden. Das beginnt schon bei den Vorbereitungen und der Frage, wer mit wem in der Kutsche reisen darf und setzt sich auf dem Lande fort. Wobei der städtische Adel in Wahrheit alles Ländliche einschließlich der Natur verabscheut. Die Heirats- und Verkuppelungsstrategie geht schief, im dritten Bild ist Orgoglio wieder in seiner tristen Stadtwohnung und wirtschaftlich vor dem Ruin. Am Ende kommt, was kommen musste: statt Liebe eine „Vernunftheirat“.
Franzobel bleibt in seiner Bearbeitung Goldonis Vorlage und Intension im Grunde treu, setzt aber gekonnt sprachlich neue und durchaus humorvolle Akzente, zum Teil auch durch brachiale Wortspiele. Ein origineller Einfall: er gibt den handelnden Personen Namen bekannter italienischer Speisen, vom vermeintlich reichen Herrn „Fettuccine“ bis zum katholisch-dozierenden Herrn „Cozzevongole“.
Outrieren als Konzept
Durchaus Ingredienzien also für einen gelungenen Theaterabend auch mit gesellschaftskritischer Tendenz, sei es durch das Aufzeigen der dekadenten Welt des Adels oder auch durch die Ansätze zu Aufstand und Revolution der Unterschicht in Gestalt der Bediensteten.
Aber warum, so fragt man sich, macht die Inszenierung von Matthias Rippert aus jeder der Goldoni-Franzobel-Figuren eine überzogene Persiflage? Auftreten, Bewegungen, selbst die Mimik – alles Karikatur, alles überzeichnet.
„Outrieren“ nennt man im Schauspielgewerbe das nicht notwendige, übertriebene Agieren auf der Bühne. Im vorliegenden Fall freilich hat man den Eindruck, dass die Darstellerinnen und Darsteller nicht aus eigenem Antrieb, sondern aufgrund des Regiekonzepts übertreiben. Die Figuren bleiben auf diese Weise blutleer und statt emotionaler Atmosphäre macht sich in den drei Stunden Langeweile breit.
Im zweiten Teil – auf dem Lande – gesellen sich Klischees dazu, etwa die Bierkrüge der saufenden „Bauern“ und im Gegensatz die Cocktails der Adeligen oder die von einem Mann gespielte Schwester Fettuccinis als geradezu penetrant überzeichneter Transvestit.
Um nicht missverstanden zu werden: Das Ensemble agiert mit Hingabe und bringt die drei Stunden professionell über die Bühne. Im Gesamten freilich bleibt die weitgehend vertane Chance, einen Komödienklassiker aus dem 18. Jahrhundert mit einem wichtigen Autor des 21. Jahrhunderts in Beziehung zu bringen.
Von Werner Rohrhofer