Ursachen und Folgen eines „tödlichen Vorurteils“

Novemberpogrome: ORF-Doku „Alter Hass, neuer Wahn“

Mit den Novemberpogromen jährt sich ein dunkles Kapitel österreichischer Geschichte zum 85. Mal: In der Nacht auf den 10. November wurden Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Juden und Jüdinnen misshandelt.

Mit den Ursachen und Folgen dieses gewalttätigen Antisemitismus bis heute setzt sich Robert Gokls Dokumentation „Alter Hass, neuer Wahn“ auseinander, die am Mittwoch (22.30 Uhr) in der Reihe „Menschen & Mächte“ auf ORF 2 ausgestrahlt wird.

Schritt für Schritt zum Menschenjäger

Vorab wurde die Doku, in der unter anderem Überlebende davon berichten, wie aus Nachbarn, Arbeitskollegen oder Mitschülern Schritt für Schritt Menschenjäger wurden, im Beisein von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und ORF-Generaldirektor Roland Weißmann im Parlament gezeigt.

„Die jüdischen Österreicherinnen und Österreicher mussten miterleben, dass schon in der Ersten Republik Antisemitismus und Juden-Hass alltäglich waren. Auch demokratische Gesellschaften sind nicht frei von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie dem Antisemitismus – das zu zeigen, war ein wichtiges Anliegen des Films“, sagt Regisseur Gokl. Lange vor 1938 hätten vielfältige antisemitische Ausgrenzungen, Entwürdigungen, Gewalttätigkeiten die Basis für die Verbrechen des Nationalsozialismus gelegt.

Die Doku untersucht, was den Weg zu den Pogromen 1938 geebnet hat. Der Einfluss des damaligen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger, der als Wegbereiter des modernen Antisemitismus gilt, auf die antijüdische Haltung in den letzten Jahren der Monarchie wird dabei ebenso thematisiert wie etwa die Ermordung des Schriftstellers Hugo Bettauer („Stadt ohne Juden“) 1925 durch das NSDAP-Mitglied Otto Rothstock oder der Terroranschlag auf den Juwelier Norbert Futterweit 1933, dessen Mörder – bis auf einen – ins „Dritte Reich“ fliehen konnten und fünf Jahre später im Triumphzug nach Wien zurückkehrten.

„Alter Hass, neuer Wahn“ analysiert aber auch, wie der Juden-Hass in Teilen der Bevölkerung nach 1945 weiterwirkte. Alte antisemitische Vorurteile erfahren demnach neue Ausformungen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg – in Social Media oder im Darknet. Auch Verschwörungsmythen und Holocaust-Verharmlosung finden noch heute Zustimmung.

Am 12. November, 23.05 Uhr, zeigt ORF 2 auch in Gedenken an die Novemberpogrome den Kinofilm „Die Blumen von gestern“ mit Lars Eidinger als Holocaust-Forscher und Nachfahre prominenter NS-Täter.

ORF III überträgt die Gedenkfeier zum 85. Jahrestag der Pogrome aus dem Parlament (9. November, 17 Uhr) und zeigt am 11. November im Rahmen eines „zeit.geschichte“-Abends unter anderem die Neuproduktion „Novemberpogrom 1938 – Die Nacht, als die Synagogen brannten“ (20.15 Uhr) und den Zweiteiler „Arisierung“.

Die mobile Version verlassen