Viel Stefko, doch wenig Charlie in „Der große Diktator“

Viel Stefko und wenig Charlie – so lautet das Resümee nach der Wien-Premiere des Soloabends „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“, die am Samstag im Akademietheater mit viel Beifall bedacht wurde. Die vom neuen Burgtheaterdirektor Stefan Bachmann aus Köln mitgebrachte Produktion beziehe sich zu je einem Drittel auf Chaplins Film, sowie auf seine echte und seine fiktionale Autobiografie, hatte Hanushevsky im Vorfeld gesagt. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!

Lange wirkt dieser grundsympathische Abend wie ein überdimensioniertes Vorsprechen: Der Oberösterreicher, der 23 Jahre lang in Deutschland gelebt und gearbeitet hat, stellt sich dem Wiener Publikum als neues Ensemblemitglied des Burgtheaters vor. Er macht das mit liebenswerter Tollpatschigkeit, zeigt kleinformatige Fotos aus seiner Kindheit herum, hat nach drei Minuten die wesentlichen Etappen seines Lebens erzählt und fragt in die Seitenbühne, wie viel Minuten man denn schon habe. Ok, reicht nicht! Also noch mal von vorne. Aber diesmal mit etwas mehr Mitteleinsatz.

Der in den Art for Art Werkstätten nachgebaute klapprige Kölner Bus, der für Stefkos Zeit als Reiseleiter der „3rd Reich Tours“ für US-Touristen als Schauplatz dient (Bühne: Sebastian Bolz), ist das Universal-Bühnenbild und muss als Frisiersalon, Flugzeug und Disco herhalten. Auf seinem Dach wird Hanushevsky die gelungenste Szene des 80-minütigen Abends spielen: Ein Vorspielen in der Broadway-Garderobe von James Gandolfini, das Stefkos amerikanischer Onkel Jacob vermittelt hat, und bei dem der junge Schauspielstudent aus Österreich Anleihen bei der Rasierszene aus „Der große Diktator“ nimmt. Hier vermischen sich Traum und Wirklichkeit, Kunst und autobiografische Erzählung auf kongeniale Weise. Das klappt nicht immer so reibungslos.

Vor allem die Hin- und Parallelführung zu Chaplins 1940 uraufgeführtem Film, der mit seiner Doppelgänger-Geschichte eines jüdischen Friseurs und des Diktators Adenoid Hynkel eindringlich vor dem Faschismus warnt, wirkt nicht unbedingt zwingend. Immerhin geben in der von Hanushevsky, dem Regisseur Rafael Sanchez und dem österreichischen Autor Eberhard Petschinka gemeinsam erarbeiteten Szenenfolge manche Anspielungen auf berühmte Filmszenen aus „Der große Diktator“ dem Schauspieler Gelegenheit, viele Facetten seiner Kunst zu zeigen – von der Imitation der sprachlich unverständlichen, in der Botschaft aber eindeutigen Hassrede des Diktators bis hin zur freien Interpretation des machtlüsternen Jonglierens mit der Weltkugel.

Während daheim im Dorf die Altnazis nur langsam aussterben, fahren die US-Touristen auf die Nazi-„Originalschauplätze“ ab und machen die Neonazis Stefko den Wehrdienst zur Hölle. Auf der Bühne hat Hanushevsky mehr mit dem Mikroport zu kämpfen – und beweist im Umgang mit Technik-Pannen seine Improvisationsfähigkeit. Chaplins große Humanismusrede hält er dann an sein ungeborenes Kind und holt sich am Ende damit nochmals Sympathiepunkte. „Ich stelle mich da so vor, wie ich wirklich bin. Ich verstelle mich nicht“, hatte er im Vorfeld im APA-Interview gesagt. Wien darf sich über diesen Ensemblezugang freuen. Die Proben für seine erste neue Produktion beginnen demnächst. Es ist Ferenc Molnárs „Liliom“. Die Titelfigur spielt Stefanie Reinsperger.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

„Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“ von Stefko Hanushevsky, petschinka und Rafael Sanchez im Akademietheater, Regie: Rafael Sanchez, Bühne: Sebastian Bolz, Kostüme: Melina Jusczyk, Musikalische Komposition: Cornelius Borgolte, Licht: Jan Steinfatt. Weitere Termine: 9., 14. und 26. Oktober sowie am 2., 8. und 24. November. burgtheater.at

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