62. Viennale mit erhöhter Auslastung beendet

13 Festivaltage, 75.800 Filmfreunde und damit eine Auslastung von 76,3 Prozent: Die 62. Viennale ist seit Dienstagabend Geschichte. Mit der feierlichen Übergabe der Filmpreise und Mati Diops weniger feierlichem als politischem Raubkunstessay „Dahomey“ endete Österreichs größtes Filmfestival unter Führung von Eva Sangiorgi in seinem Epizentrum, dem Gartenbaukino.

„Bitte stürmen Sie die Kinos!“, nutzte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) die Gelegenheit, um Werbung für die cinephile Zeit nach der Viennale zu machen. Zugleich überreichte sie Mo Harawes Spielfilmdebüt „The Village Next To Paradise“ den mit 10.000 Euro sowie weiteren Zuwendungen durch Sponsoren dotierten Wiener Filmpreis für den besten österreichischen Film. Die Jury würdigte damit einen in Somalia spielenden Film, „dem es mit eindrücklicher Offenheit gelingt, eine Realität zu zeigen, die aus europäischem Blickwinkel häufig abstrakt bleibt – oder in Form von Newsberichten zur Schlagzeile verkürzt wird.“

Der gebürtige Somali Mo Harawe blickt in seinen Dankesworten auf den langen Weg für sich ins Filmgeschäft zurück: „Ich habe lange in Wien gelebt und immer gesehen, dass andere Leute diese Preise gewinnen. Aber natürlich war immer der Gedanke da, selbst Filme zu machen, die im Kino zu sehen sind.“ Sein ausgezeichnetes Debüt „Village Next To Paradise“ startet nun am 8. November in den heimischen Lichtspieltheatern.

Seine mit 5.000 Euro dotierte Spezialauszeichnung vergab das Preisgremium indes an Ruth Beckermanns dokumentarische Langzeitbeobachtung „Favoriten“, bei der die Regisseurin eine Volksschulklasse im gleichnamigen Wiener Gemeindebezirk über Jahre hinweg beobachtet. „‚Favoriten‘ tritt den konkreten und empathischen Beweis an, dass die jüngsten Generationen unser Vertrauen verdienen, dass es sich mehr denn je lohnt, über Bildungsgerechtigkeit zu sprechen, und dass harte Realitäten und liebevolle Gemeinschaft kein Widerspruch sein müssen“, würdigte die Jury das Werk.

Beckermann würdigte in ihrer Dankesrede das in seiner Breite „europaweit einzigartige“ österreichische Fördersystem und reichte die Würdigung verbal an ihren Kamera- und Tonmann weiter: „Ich als Regisseurin konnte mich bei diesem Projekt eigentlich nur in eine Ecke setzen und hoffen, dass mein wunderbares Team die richtige Einstellung und Kadrierung wählt.“

Den Viennale-Preis der „Standard“-Leser:innen-Jury an ein Werk noch ohne Verleih in Österreich sicherte sich die Französin Lucie Prost mit ihrem Männerporträt „Fario“. Findet das Werk in Folge einen Vertrieb, unterstützt „Der Standard“ den Filmstart mit kostenlosem Platz für Anzeigen im Gegenwert von 25.000 Euro. Der internationale Verband der Filmkritiker:innen entschied sich, seinen Fipresci-Preis heuer nach Kanada zu geben. Matthew Rankin setzt sich in „Une Langue Universelle“ mit den Fragen von Migration und Vertreibung auseinander – und das in der für diese Themen ungewöhnlichen Form der Komödie.

Und nicht zuletzt wurde auch wieder der Erste Bank Filmpreis vergeben, der zum bereits 14. Mal einen zweimonatigen Aufenthalt in New York City samt Werkpräsentation im Anthology Film Archive ermöglicht. Hier kann sich die tschechische Regisseurin Klára Tasovská freuen, deren österreichische Koproduktion „Ještě Nejsem, Kým Chci Být“ („Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte“) über die heute 72-jährige Libuše Jarcovjáková geehrt wurde. Der Film setzt sich aus den Fotografien der Künstlerin zusammen. „Dieser Film ist ein Portrait der etwas anderen Art: direkt, uneitel und bewegend. Einfach großes Kino“, so die Begründung für die Auszeichnung.

viennale.at

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