Sie treffen sich zufällig beim AMS, müssen sich hinten anstellen, das gesamte Publikum war schon vor ihnen da, immerhin der volle mittlere Saal im Linzer Posthof: „Julia … spielt keine Rolle“.
Zwei Schauspielerinnen, Julia Ribbeck und Julia Frisch, feierten am Freitag mit einem eigenen Programm Premiere. Ein kabarettistisch musikalischer Theaterabend, zugleich schonungslose Dokumentation über das Dasein als freie Schauspielerin, auch aktuelles Sittenbild des Künstlerlebens schlechthin. Begleitet werden sie von Marco Palewicz am Klavier.
Urpeinlich ist diese Begegnung beim AMS mit Antrag auf Mindestsicherung. Die Szenerie wechselt zu Erinnerungen und Träumen. Einmal Buhlschaft sein, Königinnen spielen, in großen Frauenrollen brillieren. Die Julias beherrschen alle Genres und Facetten. Die reale Welt heißt immer noch AMS. Zurück an den Start, ein Formular wurde nicht korrekt ausgefüllt. Abgeschlossenes Schauspielstudium samt Gesangs- und Tanzausbildung, jede Menge Berufserfahrung — tagsüber proben, Texte lernen, nächtens Vorstellungen, nebenbei Geld verdienen mit kellnern, Osterhasen spielen, Weihnachtsfeiern schmücken. Peter Cornelius‘ „Ich bin richtig …“ adaptiert auf „tüchtig“ trifft es so genau wie Donna Summers „She Works Hard for the Money“.
Ab etwa dreißig gilt man als zu alt für das süße Mädel und zu jung für die komische Alte. Konkurrenz macht bissig. #MeToo liegt in der Luft. Subtile Bosheit gehört zum Repertoire guter Schauspielerinnen, brachiale körperliche Exzesse auch. Bud Spencer sel. hätte sich was abschauen können, wenn die beiden aus Wut und Eifersucht übereinander herfallen. Perfekter Bühnenkampf, blutüberströmte Versöhnung. Es gibt nichts Herrlicheres als Schauspielerin sein. Künstlerische Leidenschaft contra Demütigung und Depression. Die Julias spielen ihr Leben, anklagend und desperat, hart an der Kante zum Sudern, würde da nicht permanent eine mit Genuss aufgeladene Wolke über ihnen schweben, die sie mit masochistischer Lust immer wieder zur Entladung bringen. Eva Hammer