Von der skrupellosen Tötungssucht bis zur Selbstvernichtung

Salzburger Festspiele: „Macbeth“ in einer Version szenischer Bilderflut

Asmik Grigorian (Lady Macbeth), Vladislav Sulimsky (Macbeth)
Asmik Grigorian (Lady Macbeth), Vladislav Sulimsky (Macbeth) © APA/Gindl

Das Hauptaugenmerk gilt der in der Geschichte als grausame Lady Macbeth darzustellende Bühnenfigur. Machtgierig, skrupellos, leidenschaftlicher Wut entspringende Lustmörderin, die ihrem Gatten und sich selbst die Krönung mit allen Mitteln beschaffen soll, wie es die Weissagung voraussagte.

Stimmlich unantastbar: Asmik Grigorian

Alle diese Attribute der Spielkunst sind nicht unbedingt die Stärke der litauischen Sopranistin Asmik Grigorian, die in Salzburg die Rolle erstmals verkörpert. Ihren Star-Ruhm hat sie sich in ähnlichen Aufgaben längst erworben dank der sängerischen Qualität und der zweifellos unantastbaren stimmlichen Größe. Vielleicht ist dies nicht genügend für die Erfüllung auch der persönlich überzeugenden Fachpräsenz der Künstlerin gerade in dieser Verdi-Oper. Angst machte ihre eher auf sanfte Linien bedachte Lady Macbeth nicht wirklich, die mehr vornehme Haltung auch schon in den Kostümen (Malgor Szczesniak) hätte etwa in der Wahnsinnsszene mehr Übertreibung vertragen.

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Der polnische Regisseur Krzysz Warlikowski hielt sich besser nicht an die Erzählung einer Opernhandlung und lenkt den Blick auf fantastische, reichlich mit Videos verstärkte Bilder, deren Flut von Shakespeares Vorlage ablenkt und auch gerne neben der Musik vorbeiinszeniert. Schade, denn Philipp Jordan am Pult der Wiener Philharmoniker schöpft alle Formen und Farben aus der belcantofernen Partitur, wie es das Mörderdrama verlangt. Der Fokus seiner Werkauffassung liegt eindeutig am Thema der Kinderlosigkeit des Mörderpaares. Es übt gleich an den Menschen wie der ganzen Schöpfung scheinbar Rache und tötet nicht nur des Königs Rivalen, erst Duncan, dann Banco (Tareq Nazmi), dessen Geist ihm vielfach erscheint, und Kinder en masse, die durch Gift sterben müssen. Gliederpuppen sind auch beim Festbankett Gäste, mit ihren Riesenköpfen geistern sie durch das Gewissen des Mörderpaares.

Tenorale Erlebnisse mit Tetelman und LeRoy

Tenorale Erlebnisse nicht nur im Duett vermitteln Jonathan Tetelman als Macduff und Evan LeRoy als Malcolm. Solisten der St. Florianer Sängerknaben sind bühneneifrige Erscheinungen. Etwas stiefmütterlich werden die Chöre (Wiener Staatsopernchor) behandelt. Sie dürfen nur singen und sind vom Mitspielen ausgeschlossen.

Der triumphale Schlussbeifall gilt Vladislav Sulimsky in der Titelrolle als Macbeth, der das Finale der Oper erst zu jenem Ereignis macht, den man sich für eine Festspielinszenierung vorstellt. Er lässt mehr Zwischentöne als die Lady in seiner charakterlichen Darstellung hören, beeindruckend durch das Misstrauen gegenüber ihr, spielt er doch den willigen, wenn auch skeptischen Mann über das Orakel der Geister. Beleidigt und zugleich wutentbrannt folgt er, zerbricht aber an seinem unentrinnbaren Schicksal. Im Rollstuhl erlebt er sein Ende, Blut an Händen und Seele. Wer könnte ihn töten, fragt er sich. Ein Mann, der nicht von einer Frau geboren wurde. Es ist Macduff, aus dem Bauch seiner Mutter geschnitten und bestimmt für den neuen König. Er begreift, dem Tod nicht entkommen zu können. Vereint mit der Lady wächst das Paar durch das erlebte Unheil zusammen. Fast ein Happyend der grausamen griechischen Tragödie, etwas anders als gewohnt, aber im minutenlangen Jubel das Publikum gedankenschwer nach Hause verabschiedet.

Von Georgina Szeless

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