Die Namen schreien ihre Bedeutung geradezu heraus. Rotten ist ein Bergdorf im ökonomischen Niedergang im (Süd-)Tirolerischen. Einst stolzer Austragungsort für den Ski-Weltcup, fällt hier kein Schnee mehr. Klimawandel, Gletscherschmelze.
Schreiend auch der Name des über dem Dorf ragenden Berges: Muttstein. Sinnbild einer Mutter-Erde-Philosophie. Der Mensch, namentlich die Männer, hat seit 100 Jahren technisches Gerät, der „Mutter“ nachhaltig zu schaden.
Lesen Sie auch
Und Lucia? Ist sie die „Lichtbringerin“? Ein Findelkind (Moses-Mythos!), dann Ärztin in Wien, ist Lucia samt Familie nach Rotten übersiedelt. Tochter Alma (Laeni Geiseler) soll in der Bergluft von Asthma gesunden. Kann Alma („die Seele“) mit Toten sprechen? In der Nacht sieht sie eine Frau: Marianne, die vor 40 Jahren am Muttstein starb und damals schwanger war. Am Tag, als Marianne starb, wurde Lucia geboren. Zufall? Das Mystery-Genre mag keine Zufälle.
Ein bisserl Berg sprengen
Nach den ersten drei Folgen lässt die ORF-Serie „Schnee“ viele Fragen offen. Öko-Thriller? Eso-Quatsch? Gut durchdachte Story vom Ringen weibliches versus männliches Prinzip? Handelnde in „Schnee“ sind v. a. die Frauen. Eine Bergbahn soll den Tourismus ankurbeln. Die Einwände der sympathisch eigenwilligen Valentina (Marie-Luise Stockinger) wischt Bruno (Karl Fischer) beiseite: keine Bergsprengung, „wir begradigen lei a Felskuppn“.
Männer ignorieren das Leben und den Tod (Bruno hat Krebs). Frauen sind Verbündete der Patriarchen wie Brunos Gattin Maria (Maria Hofstätter) oder begehren auf. Wie die tote Marianne, eine frühe Umweltaktivistin. Tiefe Wunde am Kopf von Marianne, sie wurde ermordet.
Das Drehbuch gibt oft hölzerne Sätze vor, darunter leiden hochbegabte Darsteller wie Hofstätter oder Robert Stadlober als Lucias Mann Matthi. Brigitte Hobmeier (Lucia) mit starker Präsenz, aber beengt vom Rollenkorsett „besorgte Mutter“. Der Spannungsfaktor gut und zunehmend. Wie sehr, werden die finalen Folgen heute in ORF 1 zeigen. Herausragend Kamerafrau Leah Striker: Bilder wie gemalt, Intensität und Atmosphäre.C. Pichler