Wenn das Hinausgehen in die Natur zur inneren Einkehr wird

Kulturhauptstadt: Christoph Viscorsums Großer Welt-Raum-Weg führt mit Audiobegleitung von Bad Ischl ins Tote Gebirge

Das Gehen und das Hören sind zentrale Aspekte seines Schaffens. Und so hat der aus St. Georgen an der Gusen stammende Künstler Christoph Viscorsum (Jg. 1975) beides schon in seinem Heimatort vereint und dort den Audioweg Gusen geschaffen. Das ist eine Wanderung durch das Gelände der ehemaligen Konzentrationslager Gusen I und II, in denen während des NS-Regimes an die 40.000 Menschen gewaltsam zu Tode kamen. Für die Kulturhauptstadt 2024 hat er den Großen Welt-Raum-Weg gestaltet, bei dem das Hinausgehen in die Natur zur inneren Einkehr und zum Nachdenken führen soll.

Wahrnehmung schärfen

Der Weg beginnt im eigenen Badezimmer, wo man via Audio dazu angeleitet wird, sich seiner Umgebung und seiner selbst bewusst zu werden, so die Wahrnehmung geschärft wird. Danach geht es in die Ischler Stadtpfarrkirche und damit an einen Ort, der schon vor Jahrhunderten ein spiritueller war. Erst dann führt der Weg hinaus in die Natur, in die Berge. Bei seinen Recherchen hat der Künstler festgestellt, dass die Menschen das, was sie früher in der Kirche gesucht haben, heute oft in der Natur suchen und auch häufig finden.

Der Große Welt-Raum-Weg besteht aus Hör- und Erfahrungsstationen, Audiotracks am Smartphone fungieren als Wegmarken, die man an genau festgelegten Plätzen mit Kopfhörern anhört. Es sind Stimmen von Menschen aus der Region und von bekannten Persönlichkeiten wie der Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, des Zukunftsforschers Harald Welzer, des Musikers Hubert von Goisern, des spirituellen Lehrers David Steindl-Rast und des Ischler Stadtpfarrers Christian Öhler, die die Wandernden begleiten. Viscorsum hat dafür Tiefeninterviews mit den Beteiligten geführt.

In fünf bis sechs Tagesetappen kann der Weg absolviert werden. Es geht darum, den Alltag zu ver- und sich auf das Wilde, Ursprüngliche der Natur einzulassen. „Das Gehörte verbindet sich mit den inneren Erlebnissen der Hörenden und der Umgebung zu Erfahrungsräumen für die Grundfragen des Daseins und des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur“, erläutert Viscorsum.

Ein Weg, der erdet

Von Ischl aus geht es hinauf zur Rettenbachalm, wo an verschiedenen Plätzen die Stimmen eines Almbauern und eines Biotechnologen zu hören sind. Bei der Abzweigung zum Pfad Richtung Ischlerhütte begleitet Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner die Wanderer mit ihren Gedanken. Am Tag darauf geht es von der Ischlerhütte hinein in die faszinierende Bergwelt des Toten Gebirges, das in den folgenden Tagesetappen von Hütte zu Hütte durchquert wird. Die großteils verkarstete Steinwüste des alpinen Hochplateaus soll den Wandernden dabei helfen, sich zu erden, Hör- und Erfahrungsräume zwischen den Nachtquartieren Hochkogelhaus, Appelhaus/Wildenseehütte, Pühringerhütte und Prielschutzhaus sie dabei unterstützen. Die Wanderung endet mit dem Abstieg aus dem Toten Gebirge über das Stodertal nach Hinterstoder oder nach Grünau im Almtal.

Für erfahrene Bergsteiger

Der Große Welt-Raum-Weg ist ein Beitrag der Pfarre Bad Ischl zum Kulturhauptstadtjahr. Sein Bestehen ist bis Ende 2035 gesichert. Der Pfad verläuft auf markierten Wegen und Steigen und ist für erfahrene Bergsteigerinnen und Bergsteiger mit guter physischer Konstitution sowie alpintauglicher Ausrüstung gut zu bewältigen. Professionelle Begleitung bieten selbstständige Berg- und Wanderführer oder die Alpenvereins-Sektion Salzkammergut an.

Der kostenlose Download der Audiotracks aufs eigene Smartphone erfolgt via grosser-weltraum-weg.info/ start-downloads. In der Trinkhalle Bad Ischl können Menschen ohne Smartphone digitale Abspielgeräte samt Kopfhörern ausleihen.

Nachhaltige Verbindung

„Der letzte Hör-Raum ist nach der Rückkehr in der Privatheit der eigenen Wohnung verortet und arbeitet an der nachhaltigen Verbindung von Alltags- und Naturraum“, wünscht sich Christoph Viscorsum.
Infos und Kontakt: grosser-welt-raum-weg.info/service

Von Melanie Wagenhofer

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