„Jeder will geliebt werden!“ Wenn es fünf Cent geben würde, jedes Mal wenn eigenartige Verhaltensweisen mit diesem Satz erklärt werden — der Wohlstand wäre wieder da.
Miss Novak hat Teepackerl bedrucken lassen. Ihr Konterfei ziert das Schachterl, darin finden sich Beutelchen mit Kräutern und Co., die dabei unterstützen sollen, weniger in sich hineinzulassen. „Bewusste Ernährung“ lautet die Lehre, die dahintersteckt und die Miss Novak Schülern an einer elitären Erziehungsanstalt beibringen will.
Im neuen Film der Wiener Regisseurin Jessica Hausner trifft die Idee der reduzierten Nahrungsaufnahme auf willige Umsetzer, eine Gruppe junger Menschen ist der Lehrerin zugetan, ihre Ideen scheinen sinnvoll: wer weniger isst, schadet der Umwelt weniger, perfektioniert sich selbst. Und auch die logische Weiterführung des Gedankens, nämlich, einfach mit dem Essen aufzuhören, klingt gut für Elsa, Fred, Ragna, Helen und Ben. Halten sie sich daran — rein physisch sieht Miss Novak keinerlei Hindernisgründe, einzig der Wille zählt — werden sie Mitglieder im „Club Zero“. Und was tut man nicht alles, um dazuzugehören, die oben erwähnte Liebe zu bekommen? Auf die Wissenschaft hören? Sicher nicht!!
Bald tun die Jugendlichen nur mehr so als ob
Miss Novak ist einsam, die Jugendlichen sind — bis auf Ben — aus gutem, aber lieblosen Haus. Nicht das Essen, die Verweigerung wird zur Kompensation. Reduziert bis aufs Äußerste ist auch Hausners Film. Gewohnt distanziert in der Bildsprache (Kamera: Martin Gschlacht) und verfremdend in der Ausstattung erzählt die Regisseurin und Autorin eine Satire über Perfektionierungswahn, Manipulation, Glaube und sich über Andere erheben, aber auch über das sich einen Platz suchen, sei er noch so abstrus. Zu erwähnen, dass einem dabei der lustige Bissen im Hals stecken bleibt, ist fast obsolet.
Mit der Hauptrolle der Guru-Lehrerin hat Hausner die australische Schauspielerin Mia Wasikowska („Alice im Wunderland“) betraut, nach „Little Joe“ ist „Club Zero“ der zweite Film Hausners auf Englisch. Wasikowska agiert wie ihre jungen Kolleginnen und Kollegen, man möchte fast sagen, wie ferngesteuert. Sie ist herrlich reduzierter Gegenpol zu Klischee-Gute-Laune-Motivationstrainern. Man wähnt sich kurzzeitig sogar in einem SciFi-Film aus den 1970ern. Von weit her scheint diese Lehrerin gekommen, um ihr zu gefallen, ringen die Schüler mit sich: Erdäpfelstückerl essen, oder nicht. Die Musik von Markus Binder, Oberösterreicher und Teil des Duos Attwenger, trägt von meditativ bis beklemmend dazu bei, stets von außen zu betrachten. Zunehmend absurder wird die Geschichte, bald tun die Jugendlichen nur mehr so als ob, führen die Gabeln zum Mund, daran vorbei, loben die Köstlichkeiten.
Hausners Film ist in jedem Moment so präzise, dass ein emotionaler Zugang nahezu unmöglich ist. Was jedoch nicht bedeutet, dass just diese Art des Erzählens uns nicht (be)trifft. „Club Zero“ ist ein Film, der nachwirkt, der einen noch heimsucht, wenn man das nächste Mal ein Stückerl Erdäpfel auf dem Teller hat und anfängt darüber nachzudenken: Essen, oder nicht essen …
Von Mariella Moshammer