Das grünt so schön grün! Nein, es handelt sich nicht um „My Fair Lady“, sondern um die grüne Antiheldin im ersten Teil der Verfilmung des Broadwayhits „Wicked“. Es gibt hier viel zu bestaunen: die böse grüne Hexenfee, eine Armee fliegender Affen, eine smaragdfunkelnde Steampunkstadt, und Lieder, die ins Ohr gehen. Das Quasi-Prequel zu „Der Zauberer von Oz“ verspricht ein bildgewaltiges Märchen aus rosa Weltflucht und grüner Realitätsspritze. Ab Donnerstag im Kino.
Beginnen wir am Ende, an dem Moment, um den sich alles dreht, der Showstopper, auf den der gesamte Film zusteuert: Wenn Cynthia Erivos grünhäutige Hexe mit ihrem magischen Besen der Schwerkraft trotzt und „Defying Gravity“ singt, dann brüllt sich die britische Sängerin die Lunge aus dem Leib und erreicht einen so mitreißend hohen Ton, dass fast der Putz von der Kinosaaldecke fällt.
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Powerballade als Höhepunkt
Die Powerballade ist das Highlight der Bühnenshow, die seit mehr als 20 Jahren am New Yorker Broadway läuft. Sie ist schwierig zu singen, und nur die wenigsten schaffen es. Erivo („Harriet“) trotzt hier also nicht nur der Schwerkraft, sondern auch unglaublich hohen gesangstechnischen Erwartungen. Es ist eine Ode daran, sich selbst zu vertrauen und hoch über den Menschen zu fliegen, die einen runterziehen wollen. Ein zweischneidiger Besen. Denn Elphaba, so ihr Name, erlangt zwar ihre Freiheit, aber um den Preis, dass sie Staatsfeind Nummer 1 wird: die „böse Hexe des Westens“, die in der 1939er Filmversion von „Der Zauberer von Oz“ erstmals zu einer ikonischen Hollywoodschurkin wurde – damals gespielt von Margaret Hamilton. Das Musical mit Texten und Musik von Stephen Schwartz („Pippin“) erzählt die Geschichte wie es dazu kam, noch bevor Judy Garland im „Zauberer“ von Regenbogen und Träumen sang.
Der Zauberer hinter der Verfilmung ist US-Regisseur Jon M. Chu, der schon mit „Crazy Rich“ und seiner berauschenden Musicalverfilmung „In the Heights“ gezeigt hat, dass er nicht nur unterhalten kann. Der Sohn chinesischer Einwanderer sagt nebenbei auch etwas über die faschistischen Kräfte in unserer Welt aus. Die Handlung ist weitgehend gleich geblieben. Eine gute Entscheidung, denn alles andere hätte eine Horde von Fans gegen den Filmemacher aufgebracht.
Zwei Hexen im Fokus
Es geht um zwei Hexen: Die US-amerikanische Sängerin Ariana Grande spielt die kokette Glinda, die mit Trippelschritten wie auf Wolken durch die märchenhafte Szenerie tänzelt und operettenhaft Lieder darüber singt, wie beliebt sie ist („Popular“) – eine herrlich selbstironische Performance in Zuckerwatterosa. Auf der Zauberuni (man denke an „Glee“, aber in Hogwarts) trifft sie die schüchterne und talentierte Elphaba, eine junge Frau, die von allen, einschließlich ihrem eigenen Vater wegen ihrer grünen Hautfarbe verschmäht wird und sich insgeheim ein Happy End wünscht. Wenn sie wütend wird, dann poltert der ganze Boden, dann fliegen Dinge durch die Gegend.
Die Beziehung der beiden Hexen, die von Rivalinnen zu Freundinnen werden, bildet das erzählerische Rückgrat des Märchens. Jeff Goldblum schaut als hochstaplerischer Zauberer vorbei. Michelle Yeoh spielt die Schuldirektorin. Der als egozentrischer Prinz besetzte Jonathan Bailey („Bridgerton“) hüpft und singt mit Leichtigkeit durch rotierenden Bücherregale. Peter Dinklage („Game of Thrones“) leiht seine Stimme einer sprechenden Ziege.
Ein langer Auftakt
Es ist ein langer erster Teil, der 160 Minuten dauert, aber er zieht sich nie in die Länge. Er endet mit dem 1. Akt der Show, mit „Defying Gravity“, wenn das Publikum am Broadway in die kurze Pause geschickt wird. Die Kinozuschauer haben es mit einer längeren Pause von einem Jahr zu tun. Natürlich wird das „Fortsetzung folgt“ auf der Leinwand jeden aufregen, der glaubt, dass ein jeder Film ein ordentliches Ende haben sollte. Andererseits gibt es viel Grund zur Vorfreude, wenn Elphaba triumphierend hoch über der grünen Smaragdstadt auf ihrem Besen davonsaust.