Wien-Modern-Auftakt mit Meeresrauschen und Marimbas

Mit dem Rauschen des Meeres, klapperschlangenimitierenden Marimbas und einer Sitzkonstellation abseits gängiger Pfade ist am Mittwochabend das 37. Neue-Musik-Festival Wien Modern gestartet. Mit der traditionellen Eröffnung im Konzerthaus ist nun der Reigen zeitgenössischer Klänge eingeläutet, der bis 30. November Werke von 57 Komponistinnen und 77 Komponisten bietet. Die ersten drei kamen bereits im ersten Konzert zu Ehren – und das alles andere als im gewohnten Ambiente.

Gänzlich ausgeräumt präsentierte sich das Parkett im Großen Saal des Konzerthauses für den Abend. Lediglich 225 Gäste konnten sich mittels Papphocker zwischen die 88 im Raum verteilten Musikerinnen und Musiker mischen. Welch Genugtuung für die übrigen Besucher des Abends, die sich auf der Galerie versammeln mussten, von Festivaldirektor Bernhard Günther zum Auftakt zu hören, dass man unten ohne Ohrenstöpsel praktisch keine Chance habe, sein Gehör zu bewahren. Als wenn Badegäste, die vor dem Frühstück bereits mittels Handtuch ihre Liegen reserviert haben, vom Bademeister erfahren, dass das Wasser im Pool gekippt ist.

Doch die Warnung kam zurecht, lässt Iannis Xenakis bei seiner Mitte der 60er entstandenen Raumkomposition „Terretektorh“ doch alles, aber keine Zurückhaltung walten. Der 2001 gestorbene Komponist, einer der Lieblinge von Festivalchef Günther, gibt den Orchestermusikern neben ihrem eigentlichen Instrument Marimbas, Holzblöcke und Pfeifen an die Hand. Mit diesen können bisweilen elektronisch anmutende, flirrende Situationen erzeugt werden, zugleich trumpft aber der gesamte Orchesterapparat in toto immer wieder auf, ohne prätentiös daherzukommen.

Zuvor hatte die heurige Trägerin des Erste Bank Kompositionspreises, Nina Šenk, in ihrem Tripelkonzert „Flux“ die Möglichkeiten der neuen Raumkonstellation ausgekostet. Die Suche danach, welcher Trottel sein Handy wieder nicht abgestellt hat, führte zum deplatziert im Raum sitzenden Flötisten, die vermeintlich knarzende Tür stand ebenfalls in der Partitur und wurde akustisch von den Musikern erzeugt. Šenks Musik ist lautmalerisch, aber auch ein wenig arbiträr in ihrer Zielrichtung, weiß die Tonsetzerin die Konstellation aus Horn, Trompete, Akkordeon und Streichorchester doch nur bedingt sinnvoll einzusetzen.

Ganz anders der Höhepunkt der Eröffnungsfeierlichkeiten: John Luther Adams „Become Ocean“. Entstanden 2013, als der Komponist noch in Nord-Alaska lebte, entrollen sich wörtlich die Klangwellen des ebenfalls dreigeteilten Orchesterapparates über den Köpfen des Publikums. Plastisch, aber nicht plakativ fließen die Klänge in steter Gleichmäßigkeit, eruptieren zu Wellenbergen. Eine präzise Meisterleistung des RSO unter Ingo Metzmacher, der kurzfristig für Marin Alsop eingesprungen war, hier nicht den Gleichklang zu konterkarieren. Ein würdiges In-See-Stechen zum Festivalauftakt.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

wienmodern.at

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