Mit dem Österreichischen Filmpreis wurde er bereits für seine erste Rolle in „Atmen“ ausgezeichnet. Nun ist der Wiener Schauspieler Thomas Schubert (30) für den Europäischen Filmpreis nominiert — für seine wunderbare Darstellung des grantigen Leon in Christian Petzolds „Roter Himmel“.
VOLKSBLATT: Auszeichnungen und Nominierungen sind Sie gewohnt. Dass jemand wie Christian Petzold sagt, er habe unbedingt Sie haben wollen für die Rolle des Leon – ist das etwas Besonderes?
THOMAS SCHUBERT: Ja, das war schon ein schräges Erlebnis, weil wir uns nicht persönlich gekannt haben. Die erste Frage war da natürlich: Wie kommt der auf die Idee? Ich habe dann später erfahren, dass er gut mit Matthias Brandt befreundet ist, mit dem ich bei „King of Stonks“ gearbeitet habe. Und er hat mich quasi dem Christian empfohlen, und der hat sich dann alle meine Filme angeschaut, richtig recherchiert und kam dann nicht mit einer Castinganfrage, sondern direkt mit dem Angebot für die Hauptrolle.
Überlegt man da lange?
Ich habe das Drehbuch binnen einer Stunde verschlungen, und dann war die Zusage schnell da.
Ihr natürliches Spiel — ist es das, was Petzold gereizt hat bzw. hat er Ihnen gesagt, warum er unbedingt Sie wollte?
Matthias Brandt dürfte einen Satz zu ihm gesagt haben, der ausschlaggebend war. Er hat von unseren Dreharbeiten erzählt und gesagt: „Der Thomas ist so ein Schauspieler, der schaut dich noch an beim Spielen!“ Das war für den Christian dann ausschlaggebend, dass ich ein sehr offener Spieler bin, präsent im Moment mit den anderen Schauspielern bin und nicht mit einem vorgeplanten Rollenentwurf reinkomme und den dann streng durchziehe.
Sie haben mir einmal in einem Interview erzählt, dass Sie häufig Figuren spielen, deren Geschichten normalerweise nicht erzählt werden. Ist Leon auch so eine Figur?
Der Leon hätte auf jeden Fall Potenzial dazu, so in die Riege der übersehenen Autoren zu kommen. Aber er fällt auch irgendwie raus aus diesem Kanon, weil er ja eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit ist — im Negativen! Er wäre, glaube ich, der, von dem man erzählt: Da war so ein Arsch!
Leon hatte mit seinem ersten Buch Erfolg. Sie sind mit 17 Jahren zur Schauspielerei gekommen und gleich durchgestartet. Haben Sie auch diese Parallele zwischen Ihnen und Leon gesehen, als Sie das Drehbuch gelesen haben?
Ich habe mich in vielen Punkten ein bisschen ertappt gefühlt. Dieses ein bisschen Selbstdarstellerische, was man da vielleicht kriegt. Dass man das Gefühl hat, man müsse irgendwelchen Erwartungen entsprechen. Dann fühlt man sich die ganze Zeit beobachtet. Diese Sandkastenzeit, die man im Schaffen hat, diese Ausprobier-Phase, ist mit dem ersten großen Projekt vorbei, und man erlaubt sich selbst nicht mehr zu scheitern, blockiert sich wahnsinnig damit.
Haben Sie nach „Atmen“ auch diese Unsicherheit gehabt, ob Sie das weiter erfüllen können, was andere in Ihnen sehen?
Absolut! Nach dem ersten Film hätte es ja theoretisch gleich wieder vorbei sein können. Ich hatte aber immer das Privileg, mit Leuten zu arbeiten, die mich von Anfang an als Schauspieler wahrgenommen haben. Zuallererst natürlich Karl Markovics, der mich nicht wie einen Laien, sondern wie einen Schauspieler behandelt hat. Ich habe mir dann immer wieder andere Leute gesucht, die ein anderes Spiel verlangen, immer neue Challenges gesucht, und so habe ich das bis jetzt aufrechterhalten können. Ähnlich geht es dem Leon im Film und vielen Autoren, die vielleicht sogar ein paar gute Bücher machen. Aber dass Autoren wirkliche eine langjährige Karriere haben und alle paar Jahre ein gutes Buch schreiben, die gibt es ja tatsächlich sehr selten.
Was man über den Leon sagen kann, ist, dass ihm von Anfang an alles auf den Nerv geht. Haben Sie sich als Österreicher da besonders leicht getan, so einen Grantler zu spielen?
Es hat mich überrascht, dass ich von deutschen Kolleginnen und Kollegen oft gefragt worden bin, wie man so eine grausliche Person spielen kann. Aber als österreichischer Schauspieler ist das das größte Vergnügen! Wir haben einfach die Kultur, so etwas raushängen zu lassen, nicht zu versuchen, die eigenen Grauslichkeiten zu verbergen, sondern auszustellen. Deswegen glaube ich, hat man da als Wiener schon einen Vorteil. Österreichische Heldenfiguren, wenn es sie überhaupt gibt, sind einfach immer richtige Grantscherben. In der Hinsicht reihe ich mich da in die Liste der österreichischen Helden ein (lacht).
Ich höre da auch raus, dass es sehr lustig war, den Leon zu spielen …
Es war tatsächlich eine große Freude, einmal alles Toxische auszuleben und zu schauen, wie kann ich das 90 Minuten lang aufrechterhalten. Dem Christian ist es ähnlich gegangen, und er hat sich einen Spaß daraus gemacht, den Leon in Situationen zu bringen, die einfach wahnsinnig unangenehm und schiach sind. Da kommt es dann eh zu solchen Momenten, wie die, wo ich vom Strand zurückkomme, und da stehen die Village People mit ihren perfekten Bodies am Dach, und ich bin viel zu heiß angezogen, verschwitzt … ja, genau. Das war eine große Freude (lacht).
Viele bezeichnen den Film als den leichtesten, den Petzold je gemacht hat. Er hat aber sehr wohl einen ganz dystopischen Hintergrund, der eben als roter Himmel und später als immenser Waldbrand auftaucht. Ist für Sie „Roter Himmel“ ein leichter Film? Oder ein Film über den Klimawandel? Oder etwas ganz anderes?
Ich habe den Film ja mittlerweile schon oft gesehen und entdecke immer wieder neue Themen, neue Spannungsfelder, die sich auftun. Ich möchte mich gar nicht so festlegen, was der Film ist, und das kann ich auch gar nicht. Ich finde alles gleichzeitig gleich schön. Der Film hat einfach ganz viel zu sagen.
Petzold greift gerne auf Stamm-Darsteller zurück. Möchten Sie einer davon werden, sind Sie auf dem Weg dazu?
Wir haben schon viel darüber gesprochen, und es werden sicher noch Projekte kommen, aber in welcher Form, wissen wir noch nicht. Wir möchten auf jeden Fall wieder miteinander arbeiten.
Sie spielen einen Schriftsteller – gibt es in Ihnen auch noch andere künstlerische Begabungen neben der Schauspielerei?
Schauspielern fehlt ja immer so ein bisschen das Schöpferische in ihrem Beruf. Dann fängt man hobbymäßig etwas an, bei mir ist es die Fotografie und Schreiben. Da hole ich mir zurück, was mir beim Drehen abgeht.
Ist das Schreiben schon spruchreif? Also wird es einmal ein Drehbuch oder so geben von Ihnen?
Ja, vielleicht wird es einmal etwas geben. Ich habe mir für nächstes Jahr vorgenommen, mich da strenger dahinterzuklemmen und endlich einmal Sachen rauszuschicken. Ich habe bis jetzt den Prozess des Schreibens selbst genossen, den Kopf zu beruhigen, indem ich Sachen niederschreibe. Jetzt wird es an der Zeit, dass ich die Sachen raustrage.
Woran arbeiten Sie denn als Schauspieler aktuell?
An einer Sitcom. Tatsächlich hat mich das sehr interessiert, weil das Sitcom-Format bisher in Deutschland nie funktioniert hat. Die haben jetzt aber einen Supercast und großartige Autoren zusammengetrommelt. Ich drehe gerade in Köln fürs ZDF die Sitcom „Jugend“ über Leute, die merken, dass korrekte Sachen zu sagen nicht mehr reicht, und man sich dann auch dahinterklemmen muss. Es ist eine Berlin-Neuköllner-Kreativbubble, die mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert wird.
Interview: Mariella Moshammer