Zwischen Nazis, Busen, schiachen Leuten und dem ersten Bier

„Rotzbub“: Hommage an Manfred Deix und seine österreichische Welt

Verliebt bis über beide Ohren kann es trotz Umweltschutzgedanken schon einmal passieren, dass man zwei Buchstaben, innig ineinander verschlungen, in eine unschuldige Baumrinde schnitzt.

In „Rotzbub“, der kinogewordenen Welt von Karikaturist Manfred Deix, ist es ein Hakenkreuz, eingeschrieben in ein Herzal, das ganz beiläufig einen Baum „ziert“.

Der Schäferhund heißt Blondi und schielt, der Streber schaut dem Pfarrer zum Verwechseln ähnlich, die Wimmerl des geschäftstüchtigen Schülers platzen und ergießen sich, wenn er gar arg erregt ist und schiach sind sowieso alle.

Regie bei „Rotzbub — der Deix Film“ führt mit Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“) ein Garant für urige Unterhaltung. Gemeinsam mit Animationsdirektor Santiago López Joverdas erweckt er die Österreicher des Manfred Deix zum Leben, das Drehbuch wurde noch zeitlebens von Deix abgesegnet. Der Zeichner der österreichischen Seele verstarb 2016.

Fans von Deix‘ derbem Stil werden sich über das Wiedersehen mit den unverkennbaren Figuren freuen, die Geschichte des Films ist schnell erzählt: Der Rotzbub ist Sohn des Dorfwirten in Siegheilkirchen, seine Zukunft somit besiegelt. Am Rathaus prangt noch eine halbes Hakenkreuz, den rechten Arm von manchem Bewohner reißt es gern in die Höhe, obwohl im niederösterreichischen Nirgendwo auch schon ein Jahr in den 1960ern herrscht, aber eben auch noch das alte Gedankengut.

Das Universum des Manfred Deix lebt!

Der kleine Deix kann gut zeichnen, das bringt seinen Schulkollegen schnelle Skizzen von großen Busen und ihm einen Nebenverdienst, den er auch gleich mal im ersten Bier anlegt. Als ein „Zigeuner“-Mädchen (ja, wir befinden uns in den 1960er-Jahren inklusive der damals üblichen Sprache) das Herz des Rotzbuben erobert, versucht der einen geplanten Anschlag der Alt-Nazis zu verhindern und widersetzt sich allem, als er die beobachteten Triebe des Dorfes öffentlich macht — und sein Talent.

Viele, viele wogende Busen, saufende Kinder, Rassisten und Fäkalwitze … Rosenmüller lässt nichts aus, das Deix-Universum lebt! Es braucht jedoch ein bisschen Zeit und Geduld, in dieses Universum einzutauchen, den teils etwas ungelenken Figuren zu folgen, und auch die Geschichte kommt nur langsam in Fahrt. Nett ist es hingegen, die vielen Schauspieler zu erkennen, die den Deix-Leuten hervorragend ihre Stimmen leihen: mit dabei u.a. Wolfgang Böck, Adele Neuhauser und Bilderbuch-Frontmann Maurice Ernst.

„Rotzbub“ ist eine Hommage an einen Künstler geworden, der die grobe Axt der feinen Klinge immer vorgezogen hat. So macht das auch der Film. Wenn auch die Übersetzungen von Karikaturen in bewegte Bilder nicht an allen Stellen gut gelingt, die Botschaft tut es.

Von Mariella Moshammer

Die mobile Version verlassen