Lachendes Operettenglück mit Brüchen

Franz Lehárs „Der Graf von Luxemburg“ im Musiktheater

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Von wegen Blinddate, Scheinehe! Frauen heiraten, um an Geld und Titel zu kommen, Männer schmachten in deren Dekolletés. Regisseur Thomas Enzinger lässt sich vom Zeitgeist nicht stören, Lehárs opulenter Operettenzauber zählt in seiner Inszenierung. Am Freitag feierte „Der Graf von Luxemburg“ Premiere im Musiktheater in Linz.

Farb- und Kostümlawine

Zum Auftakt flutet der Chor als Farb- und Kostümlawine die Bühne. Götz Lancelot Fischer tobt sich als Kostümbildner aus. Die Handlung? Mein Gott, da heiratet eine Sängerin heimlich und unerkannt einen Grafen, um nach der geplanten Scheidung standesgemäß einen Fürsten ehelichen zu können. Die Kandidaten der Zweckheirat verlieben sich ineinander. Die ursprünglich geplante Ehe kommt nicht zustande, die fingierte Ehe wird zur echten. Eine schneidige „Dea ex Machina“ entwirrt am Schluss die Schlamastik. Witzig und Wurscht.

Die Regie scheint das auch so zu sehen. Rundum lenkt alles vom Geschehen ab. Wenn Alfred Rauch als alternder Fürst Basil Basilowitsch im Dreivierteltakt schwelgt „Ich bin verliebt bis über beide Ohren“, flattern zum Dreivierteltakt die Tänzer wie leibhaftige Schmetterlinge im Bauch. Überhaupt spielt das Ballett in der Choreografie von Evamarie Mayer eine Hauptrolle. Tänzerinnen und Tänzer transponieren das klischeehafte Frauen- und Männerverhalten in echte Emotionen. Wo die Handlung im Staub erstarrt, schweben sie. Den zuckersüßen Hit „Bist du’s lachendes Glück?“ dosiert das bestens disponierte Bruckner Orchester auf ein wohltuendes Maß. Dirigent Marc Reibel gibt Gas bei den Cancans, verbündet sich mit Ballett und Gesang.

Die Bühne von Bernd Franke quillt über vor variablen Wänden, überdimensionierten Gemälden, Lichtspielen und Projektionen (Andreas Ivancsics). Hübscher Szenenwechsel: Das Ballett löscht symbolisch die Bilderflut, malt auf die frisch getünchte weiße Fläche ein neues Bild. Einen Bühnendreh weiter bezaubert ein impressionistisch duftiges Raum-Kunstwerk. Ani Yorentz hält drin Hof als umschwärmte Bühnenschönheit Angèle Didier. Ihr gehören die Sopranarien und strahlende Soli mit dem Chor. Als Operettentenor bleibt Matjaz Stopinsek in der Hauptrolle blass. Johannes Strauß und Frenja Lukas kokettieren am Rande als Künstler-Muse Pärchen.

Verschwörung und Klima

Nach der Pause stehen Solisten und Handlung im Fokus. Tänzerische Kommentare bleiben weg, bis eine beatboxende Street-Dance-Formation ein Falco-Cover auf der Bühne performt. Falsches Stück? Die seltsame aber willkommene Abwechslung verschwindet so fremd und rasch wie sie kam. Ahnte man denn, dass die Bilderflut ermüdet? Zu guter Letzt beweist der Auftritt von Franziska Stanner als echte resolute Braut Gräfin Kokozof, dass man schon auch zeitgeistig denkt. Sie macht sich beim Publikum beliebt, als sie unvermittelt die zeitgenössische Welt samt Verschwörungstheorien und Klimawandel in ein vielstrophiges Couplet stopft und schließlich dafür sorgt, dass alle Bräute an die richtigen Bräutigame kommen.

Feines Tanztheater, herrliche Bilder. Jubelrufe für Ballett, Choreografie und Chor. „Bist du’s lachendes Glück?“ — ja schon, zumindest über die längste Zeit der dreistündigen Strecke.

Von Eva Hammer