Ein Fest (nur) für Kinder?

Diözesanbischof Manfred Scheuer © Diözese Linz

Kinder haben uns Erwachsenen oft etwas voraus. Sie erleben die Welt intuitiv. Sie können im Moment verweilen und sich ins Spiel vertiefen. Im Advent und zu Weihnachten sind es gerade Kinder, die Erwachsene zur Krippe führen, die auf Jesus zeigen, die bei Erwachsenen etwas vom Staunen, von der Lebendigkeit, vom Vertrauen und Glauben wecken. Kinder führen uns ganz nahe heran an das Geschehen des Weihnachtsfestes, an die Geburt von Jesus. Nicht wenige Erwachsene spüren in sich eine Sehnsucht, Weihnachten wie seinerzeit als Kind zu erleben. Weihnachten, das ist das Fest der Kinder, sagen manche.

Und tatsächlich steht da ein Kind im Zentrum von Weihnachten. Die Geburt des Retters, Jesus Christus, der als Kind in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt, wird den Hirten von den Engeln verkündet (Lk 2,11–12). Und was sehen die Hirten dann? Sie sehen ein Neugeborenes, das in erbärmlichen Umständen zur Welt gebracht wird. Und trotzdem zweifeln sie nicht an der Besonderheit des Kindes.

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Warum nicht? Vielleicht ist es den Hirten ergangen, wie es vielen von uns ergeht, wenn sie einen Säugling sehen. Wie gerne beugen wir uns nieder zu neugeborenen Kindern! Wie beglückt sind wir vor dem Wunder des beginnenden Lebens! Kann es sein, dass uns in diesen Momenten bewusst wird, welche Besonderheit jedem Leben zukommt? Dass Leben zerbrechlich ist und beschützt werden muss? Dass jedes Leben Würde hat und Respekt verdient? Wir können uns also leicht in die Hirten hineinversetzen.

Und wir können deshalb wie die Hirten das Wunder von Weihnachten begreifen: So wie jeder geborene Mensch für einen Neuanfang steht, wie mit jeder Geburt eines Kindes etwas Neues in die Welt kommt, so setzt Gott mit der Geburt Jesu einen Neuanfang in der Beziehung zu uns Menschen. Eine Geburt bringt neue Hoffnung in die Welt. Mit der Geburt Jesu ermutigt uns Gott, wie ein Kind Vertrauen in die Welt zu haben und uns auf neue Anfänge einzulassen.

Solche Anfänge sind möglich, wo Menschen zu Versöhnung bereit sind. Wo sie einander nicht nur auf die Vergangenheit festlegen, sondern auch gemeinsam nach einer neuen Zukunft suchen. Solche Anfänge sind möglich, wenn Menschen lernen, einander mit den Augen Gottes zu sehen.

Von Bischof Manfred Scheuer