Der Kaiser auf der Jagd – Privileg, Macht und Leidenschaft

„Es gibt nichts Dümmers als die Jagd“, formulierte Ferdinand Raimund im Jahr 1834 im „Verschwender“. Doch in hohen und höchsten Kreisen dieser Zeit war man da ganz anderer Meinung. Bis hinauf zum Kaiser war die Jagd wichtiger Bestandteil des adeligen Lebens. Leidenschaft ebenso wie Ausdruck von Macht und gesellschaftlicher Stellung. Auch mit so mancher Schattenseite, Stichwort: Massenabschüsse von Wild jeglicher Art. Ein neuer, prächtig ausgestatteter Bildband von Hannes Etzlstorfer und Lelio Colloredo-Mannsfeld widmet sich jetzt der „Kaiserlichen Jagd“ (Kral Verlag).

Die Tradition der groß inszenierten adeligen Jagd reicht ins 15. Jahrhundert zurück bis zu Kaiser Maximilian.

Der „letzte Ritter“ war nicht nur ein leidenschaftlicher Jäger, er erklärte viele Wälder zum herrschaftlichen Jagdrevier und entzog sie damit der landwirtschaftlichen Nutzung durch die Bauern. Womit das edle Weidwerk auch zu einem wesentlichen Mittel der Machtrepräsentation wurde.

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Goldenes Zeitalter

In der folgenden Zeit des Barock war es naheliegend, den feudalen, ins Maßlose gehenden Lebensstil auch auf dem Gebiet der Jagd zu pflegen. Man spricht daher auch vom „Goldenen Zeitalter der Jagd“. Pompöse Feste gehörten ebenso dazu wie die entsprechenden Schlösser.

Etzlsdorfer/Colloredo dazu in ihrem Buch: „Die Jagd hatte sich von ursprünglich ehrlichem Handwerk zu einem prunkvollen, höfischen Spektakel entwickelt, für das keine Kosten und Aufwände gescheut wurden.“ Von Kaiser Leopold dem Ersten wird berichtet, dass er täglich zur Jagd ging. Selbst als 1683 die Türken vor Wien standen, soll der Kaiser im Wienerwald auf Hirschjagd gewesen sein.

Unmut der Bevölkerung

Anfang des 18. Jahrhunderts freilich regte sich zunehmend Unmut in der Bevölkerung angesichts der ausufernden und kostspieligen Jagdleidenschaft des Kaisers — damals Karl der Sechste — und seines Gefolges. Auch durch seine starke Kurzsichtigkeit ließ sich der Kaiser nicht von der Jagd abhalten, selbst als er dabei irrtümlich einen böhmischen Fürsten erschoss. Unter Kaiserin Maria Theresia (1717 – 1780) verlor die Jagd ihre Rolle als höfisches Privileg und als vornehme Beschäftigung des Adels. Die Kaiserin selbst zeigte eine zunehmende Abneigung gegenüber den großen Jagden, manche von ihnen ließ sie sogar vorzeitig beenden. Auch die Reviere des Hofes wurden reduziert, Schwarzwild zu jagen, war nicht mehr länger dem Adel vorbehalten. Diesen Weg setzte Joseph der Zweite, der Sohn von Maria Theresia, konsequent fort.

Aus für Privilegien

Das Revolutionsjahr 1848 brachte dann das endgültige Aus für die umfassenden Jagdprivilegien des Adels. Neue Jagdgesetze wurden geschaffen, Bürger und Bauern durften — sofern sie Grundbesitzer waren — in ihrem Bereich die Jagd im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten ausüben.

Doch die Zeit des kaiserlichen Jagens war damit noch lange nicht vorbei, im Gegenteil. Es sollte ein Monarch kommen, dessen Name bis heute untrennbar mit der Jagd verbunden ist: Kaiser Franz Joseph der Erste (1830 – 1916). Von ihm hieß es: „Der Morgen und Abend bleiben stets der Arbeit, der Tag aber gehört dem frohen Waidwerke“. Und tatsächlich verstand es Franz Joseph, trotz seiner Amtsgeschäfte immer auch Zeit für die Jagd zu finden.

Weihnachtsgeschenk Flinte

Schon als Vierjähriger hatte der spätere Langzeit-Kaiser zu Weihnachten eine Kinderflinte erhalten, sein Vater Erzherzog Franz Karl nahm ihn auch regelmäßig zu Jagden in den heutigen Lainzer Tiergarten mit. Im Alter von 15 Jahren bezeichnete sich Franz Joseph gegenüber seiner Mutter Sophie bereits als vollwertiger Jäger. Und es war nur logisch, dass er als Kaiser im Wesentlichen nur zwei Arten von Kleidung trug, nämlich die militärische Uniform und die Adjustierung als Jäger. Letzteres bevorzugt in Form der „Steirertracht“: kurze, abgetragene Lederhose mit Stutzen und einfache Lederjoppe. Gerade diese „einfache“ Jagdkleidung hatte aber auch politisches Kalkül: War Franz Joseph zu Beginn seiner Regentschaft wenig beliebt, so sollte dieses Äußere den Kaiser als „volksnah“ zeigen, er sollte sich kaum von einem normalen Jäger unterscheiden.

Abschüsse als „Sport“

Anfänglich war Franz Joseph vom in seinen Kreisen üblichen „sportlichen“ Ehrgeiz beseelt, möglichst eine große Strecke zu erzielen, er erlegte unzähliges Wild an eigens dafür angelegten Futterplätzen oder ließ sich die Tiere gezielt zu seinen Ständen treiben, um sie abzuschießen. Erst in späteren Jahren wandelte sich die Einstellung des Kaisers weg von den Massenabschüssen zur Einzeljagd im Gebirge.

Ganz im Unterschied zu dem später in Sarajewo ermordeten Thronfolger Franz Ferdinand. Seine Jagdleidenschaft hatte geradezu pathologische Ausmaße, wird berichtet. Wovon auch seine Trophäensammlungen zeugen. So soll er einmal allein an einem Tag 3000 Möwen geschossen haben, insgesamt hält er mit mehr als 270.000 in seinem Leben erlegten Tieren einen fragwürdigen Rekord.

Pflicht und Jagd

Kaiser Franz Joseph verband, wie gesagt, sein sprichwörtliches Pflichtbewusstsein bei den Amtsgeschäften mit der auch zeitaufwändigen Jagdleidenschaft. Im Buch „Die Kaiserliche Jagd“ liest man dazu über Franz Josephs Jagdausflüge nach Reichenau: „Zur Zeit der Hahnenbalz reiste er regelmäßig gegen Mitternacht mit dem Nachtpostzug aus Wien an, erholte sich für kurze Zeit und ging dann zur Frühpirsch, um gegen zehn Uhr Früh wieder in Wien zu sein und den Amtsgeschäften nachzugehen sowie Audienzen abzuhalten.“ Freilich gab es auch unter Kaiser Franz Joseph offizielle Hofjagden mit strenger Etikette. Dazu waren Kaiser und Könige bis hin zum Zaren von Russland eingeladen.

Hirsch „begnadigt“

Selbst im hohen Alter frönte Franz Joseph seiner Jagdleidenschaft, trotz auftretender Schwindelanfälle und unsicherer Hand. Und so kam es immer wieder vor, dass der Kaiser das Tier verfehlte, das man ihm vor die Büchse trieb. Was einen Jagdhelfer angeblich zu der tröstenden Feststellung veranlasste: „Euer Majestät haben beschlossen, den Hirschen zu begnadigen.“

Das erlegte Wild wurde häufig bei großen Festen des Kaiserhauses serviert. Wobei die kaiserliche Tafel wiederum nicht nur dem Essen diente, sondern auch Ausdruck von Pracht und Macht war. In dem Band „Die Kaiserliche Jagd“ sind zahlreiche Rezepte von Wildspezialitäten abgedruckt. Das reicht von vergleichsweise einfacheren Gerichten wie einem „Rehragout“ bis zum „Lainzer Wildschwein mit Hagebuttensauce“ und dem „Fasan mit Sauerkraut“, den es als Festmahl nach dem Begräbnis der ermordeten Kaiserin Elisabeth gab.

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Österreich noch eine bleibende und eindrucksvolle Erinnerung an die kaiserlichen Jagden besitzt: Die zahlreichen größeren und kleineren Jagdschlösser. Denn selbst das Schloss Schönbrunn wurde ursprünglich als Jagddomizil errichtet, ehe es seine jetzige Gestalt erhielt. Dass das kaiserliche Jagdschloss Mürzsteg heute die Sommerresidenz des Bundespräsidenten ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie der Geschichte.

Von Werner Rohrhofer

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