Es ist ein lauer Mittwochvormittag, eine leichte Brise rauscht durch das dichte Laub der sprießenden Bäume und Sträucher in der gemütlichen Wohnsiedlung am Gründberg im Linzer Stadtteil Pöstlingberg.
Haus- und Gartenbesitzerin Lucia Schramm (44) erwartet „Gartenteilen“-Gründerin Nina Panholzer (39) aus Linz und mich bereits mit einem ausgiebigen Frühstück unter der einladenden Weinlaube im Garten. Unter anderem stehen Eier von den eigenen Wachteln auf dem Tisch. Kater „Panther“ macht es sich auf der Hollywoodschaukel bequem. Hier möchte man verweilen – und man kann!
Die selbstständige Unternehmensberaterin Schramm ist verantwortlich für den AXIS-CoWorking-Space, wo sie Panholzer kennengelernt hat. Durch sie erfuhr sie vom Projekt „Gartenteilen“, das es sich zum Ziel gemacht hat, Menschen ohne Zugang zu Grünflächen zu einer Auszeit zu verhelfen. Da sich Schramm seit Längerem in der Nachbarschaftshilfe engagiert, bietet sie nun auch ihre Ruheoase online zum Teilen an.
„Ich möchte meine Dankbarkeit für alles, was ich habe, ausdrücken und Menschen einen Zugang zur Natur ermöglichen“, erklärt die herzliche Gartenbesitzerin, die Haus und Grünfläche mit ihrem Mann und den beiden Kindern bewohnt. Ersteren habe sie ob ihrer Begeisterung bezüglich des „Gartenteilens“ „erst gar nicht lange um Einverständnis gefragt“.
Die ambitionierte Kräuterkundlerin mit einem außerordentlich grünen Daumen möchte ihre Liebe zu Pflanzen und Tieren gerne weitergeben und darüber hinaus dazu animieren, mehr selbst zu basteln und mit der Natur zu leben. „Viele unserer Möbel stammen von Flohmärkten oder sind selbst restauriert. Nicht alles muss immer perfekt sein“, gibt sie Tipps zu Nachhaltigkeit und Kreativität. Schramm hat überdies noch weitere innovative Vorschläge für die Initiative. So kann sie sich vorstellen, ihre eigenen Ernte-Überschüsse – bei ihr wachsen nicht nur Kräuter, sondern auch Himbeeren und Brombeeren – mit anderen zu teilen.
Ein „Wickie-Moment“ im Home-Office
Die hervorragende Idee für das Projekt kam der Kommunikationsberaterin Panholzer, als sie sich zu Beginn der Corona-Krise im Frühling 2020 im Home-Office befand. „Ich habe zu Hause gearbeitet und dabei immer wieder aufgesehen und in meinen Garten geschaut. Auf einmal hatte ich so einen richtigen Geistesblitz, fast wie Wickie! Ich glaube, ich bin sogar vom Tisch aufgesprungen“, erklärt sie und lacht. So nahm das Konzept des Gartenanbietens und -suchens Form an. Panholzer zögerte nicht. „Ich habe gleich meine Kollegin Claudia Gilhofer angerufen und ihr von meinem Plan erzählt. Sie war begeistert.“
Gemeinsam versuchten die beiden, eine Webseite aufzubauen, scheiterten jedoch an der technischen Herausforderung. Wohl auch, weil keine von ihnen neben ihren Vollzeit-Beschäftigungen Zeit hatte, sich auf dem Gebiet weiterzubilden. Und da kam Christian Schütz als dritter Initiator ins Spiel, der das nötige technische Know-how mitbrachte. Im Mai ging die Webseite, an der das dreiköpfige Team lange gefeilt hatte, endlich online.
Mit dem Schlagwort „Gartenteilen“ will die grüne Webseite (www.gartenteilen.at) Grünflächen für alle im Sinne der Nachhaltigkeit anbieten.
Und so geht’s: Um den Vermittlungsprozess zu starten, müssen sich teilungswillige Gartenbesitzer erst einmal registrieren und einige Fotos ihres Naturparadieses hochladen. Eine kurze Beschreibung und die wichtigsten Fakten zur eigenen Person dürfen natürlich nicht fehlen. Der gesamte Registrierungsprozess dauert dabei nur wenige Minuten und ist vollkommen anonym. Besitzer dürfen ihren Gärten Nicknamen geben, die grob auf ihre Lage hindeuten sollen. Nach erfolgter Freigabe des Profils, kann es von registrierten Garten-Suchern gefunden werden. Besteht Interesse, stellt die Webseite einen Internet-Chat als erstes Werkzeug zum Kennenlernen zur Verfügung. Gartenteiler und -sucher können ebenso miteinander telefonieren und sich schließlich persönlich im Garten treffen, um zu entscheiden, ob gegenseitige Sympathie und übereinstimmende Vorstellungen zur Gartennutzung bestehen.
Keine langen Vorschriften, nur eine einzige Bitte
„Das Wichtige dabei ist, dass die Regeln ihr selbst macht“, hält Panholzer fest. Sie und ihr Team hätten kein Interesse daran, den Teilnehmern ihrer Initiative große Vorschriften zu machen. Lediglich darum bittet Panholzer in Anbetracht der noch lange nicht überstandenen Corona-Pandemie und den damit verbundenen Vorsichtsmaßnahmen: „Bitte lasst nicht mehr als fünf Personen gleichzeitig in euren Garten. Diese dürfen nur aus demselben Haushalt stammen!“
Lucia meint zum Kennenlern-Prozess: „Ich finde, man bekommt durch das Schreiben und Telefonieren schon ein gewisses Gefühl zu einer Person und kann entscheiden, ob man sie zu sich nach Hause einlädt oder nicht.“ Sie hat durch die Nachbarschaftsinitiative wieder Kontakt zu einer ehemaligen Schulfreundin, die sich auf der Suche nach einem Platz in der Natur begeistert von Schramms Profil bei ihr gemeldet hat. Da sich das Projekt der Nachhaltigkeit verschrieben hat, werden Suchenden nur jene Grünflächen vermittelt, die sich im Umkreis von zwanzig Kilometern befinden. Schließlich soll die Auszeit in der freien Natur bestenfalls zu Fuß, mit dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden.
Bisher haben sich etwa 150 Interessenten zur Gartensuche registriert und zwölf Eigentümer stellen ihre grünen Erholungsorte bereitwillig zur Verfügung. „Wir freuen uns jedes Mal wie Kinder, wenn ein neuer Garten hinzukommt“, sagt Panholzer, die ihre eigene Grünfläche ebenfalls anbietet.
Auch wenn das Team um Panholzer aus Unternehmern besteht, steht der wirtschaftliche Gewinn des Projektes keineswegs im Vordergrund. Vielmehr geht es der engagierten Gruppe um den sozialen Aspekt der Nachbarschaftshilfe und der Schaffung von Freiräumen, besonders in der Corona-Pandemie. Die Projektleiter hoffen auf weitere Registrierungen aus ganz Österreich und planen die Weiterführung für die Zeit nach Corona.