Kommentar zur Erpressung der EU.
Was sich derzeit an der weißrussisch-litauischen Grenze abspielt, hat auch eine 2000 Kilometer südlich liegende Ursache.
In der Türkei führt ein ebenfalls autokratischer Staatschef seit Jahren vor, wie wunderbar sich Migranten und Flüchtlinge zur Erpressung Europas missbrauchen lassen. Obwohl Recep Tayyip Erdogan keine Gelegenheit zur Provokation der EU auslässt (Stichworte Zypernkonflikt, Gasstreit im östlichen Mittelmeer, „Sofagate“ im April), schiebt diese im Rahmen des Flüchtlingspaktes weitere Milliarden nach Ankara, verhandelt weiter über eine Zollunion und traut sich nicht, die EU-Beitrittsgespräche in aller Form zu beenden.
Denn Brüssel weiß, was passiert, wenn die EU nicht spurt und Erdogan verärgert. Dann öffnet der nämlich — wie Anfang 2020 geschehen — einfach die Grenzen für Migranten.
Genau dieses böse Spiel treibt nun Erdogans Schüler in Minsk. Weil die EU Europas „letztem Diktator“ mit (ohnehin wenig wirkungsvollen) Sanktionen auf die Finger klopft, zückt dieser gegen den Nachbarn Litauen die Migrationswaffe. Verwundern sollte das niemanden. Denn: Wer sich einem Erpresser beugt, empfiehlt sich für weitere Erpressungen.. Der Flüchtlingspakt mit der Türkei mag vorübergehend Entspannung gebracht haben, aber die uner- wünschten Nebenwirkungen sind noch gar nicht absehbar.