Als die Hamas den Appeasement-Traum zum Platzen brachte…

Terrorangriff am 7. Oktober 2023 markiert Zeitenwende: Israel kämpft und kümmert sich nicht mehr ums Image

6:29 Uhr, 7. Oktober 2023. Israels 9/11 nimmt seinen grauenvollen Lauf. Zu Wasser, zu Land und aus der Luft greifen Terroristen der islamistischen Hamas-Bewegung aus dem Gazastreifen an, ermorden auf bestialische Weise 1205 Männer, Frauen, Kinder, Babys. 251 Zivilisten werden entführt, nur 105 von ihnen kommen im Zuge eines Gefangenenaustausches im November frei, die Hoffnung für noch rund 100 lebende Geiseln schwindet mit jedem weiteren Tag der Eskalation.

„Es geht um die Auslöschung Israels“

Wie Russlands Überfall auf die Ukraine markiert der beispiellose Hamas-Terror eine Zeitenwende. Noch nie wurden seit der Shoa an einem Tag so viele Juden ermordet wie an diesem 7. Oktober.

Amnesty International ordnet den Angriff so ein: „Es geht um die Absicht der Auslöschung Israels, um Mordlust, die von einer Verachtung jüdischen Lebens zeugt und nicht als Folge des Nahostkonflikts zu betrachten ist.“ Also: Keine Folge des Nahostkonfliktes. Dies ist wichtig zu betonen, da in der Debatte oft eine Mitverantwortung oder gar Mitschuld Israels ins Treffen geführt wird.

Schuld und Mitverantwortung

Die Horrorbilder des 7. Oktober werden freilich immer mehr überlagert von nicht weniger schrecklichen Szenen, die verstümmelte Opfer der israelischen Gegenschläge zeigen. Auch dabei sterben Unschuldige — Alte, Frauen, Kinder, Babys. Laut nicht überprüfbaren Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums in Gaza wurden mehr als 41.500 Menschen getötet, ein Großteil von ihnen Zivilisten.

Unter den toten Palästinensern sind aber auch viele, die als Mittäter Schuld oder als Hamas-Anhänger zumindest Mitverantwortung für das Grauen auf sich geladen haben.

Nahöstlicher Flächenbrand

Längst ist der befürchtete Flächenbrand Realität. Auch wenn es keine erklärten Kriege gibt, beschränkt sich der Konflikt nicht auf Israel und die Hamas. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Hamas und ihre Verbündeten in der israelischen Nachbarschaft entweder wohlgelitten oder nicht loszuwerden sind und von Regionalmächten wie dem Iran und Katar finanziell, organisatorisch und/oder waffentechnisch aufgerüstet wurden und werden.

Israels Rachefeldzug beschränkt sich nicht nur auf die in und unter Wohnsiedlungen versteckten Terrornester im Gazastreifen. Auch Ziele im Libanon, wo die vom Iran gesteuerte Hisbollah-Miliz zum Staat im Staat geworden ist, werden angegriffen.

„From the river to the sea palestine will be free“: Auch in Österreich verbreiten Hamas-Freunde diesen verklausulierten Aufruf zur Auslöschung Israels, dessen Kampf gegen den islamistischen Terror auch ein Kampf für unsere Freiheit ist. (Foto: Copyright AFP/Cremel)

Ebenso in Syrien. Im Jemen reagiert Israel mit Gegenschlägen auf Raketenangriffe der ebenfalls zum iranischen Terrornetzwerk zählenden Houthi-Miliz. Sogar im Iran selbst sind die Terroristen nicht mehr sicher: Am 31. Juli wird Hamas-Chef Ismail Haniye mitten in Teheran von einer Bombe zerfetzt.

Knapp zwei Monate später stirbt auch Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einem israelischen Angriff in Beirut. Die beiden sind die prominentesten Opfer aus dem islamistischen Netzwerk. Zahlreiche andere Terror-Granden kostet Israels Rache das Leben. Aber eben auch viele, viele Unschuldige.

Zerstörte Illusionen

Dabei hatte es vor dem 7. Oktober nach Licht am Ende des nahöstlichen Tunnels ausgesehen. Das von Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain im September 2020 unter US-Vermittlung vereinbarte Abraham-Abkommen sollte nach den Friedensschlüssen Israels mit Ägypten (1979) und Jordanien (1994) weitere arabische Staaten auf Entspannungskurs bringen. Sogar das ultraorthodoxe Saudi-Arabien stand im vergangenen Herbst kurz davor, sich der Abraham-Initiative anzuschließen.

Dieses Licht am Ende des Tunnels entpuppte sich freilich als der entgegenkommende Terrorzug. Denn Hamas, Hisbollah und Konsorten sahen ihre Felle im Fluss der Friedenshoffnung davonschwimmen. Ihr Credo ist die Zerstörung Israels. Jeder Kompromiss mit dem „zionistischen Gebilde“ wird in der Hamas-Charta kategorisch ausgeschlossen. Im Iran ist die Auslöschung Israels quasi Staatsdoktrin. Auf Frieden hoffende Palästinenser wären also gut beraten, keine Hoffnung in die extremistische Ablehnungsfront zu setzen.

Licht am Ende des Tunnels entpuppt sich als Terrorzug

Schon das 30 Jahre davor zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und Israel geschlossene Oslo-Abkommen hatte die Hamas als „Schmach, Kapitulation und Erniedrigung“ verdammt. Derartiges sollte sich nicht wiederholen. Das Abraham-Abkommen musste torpediert werden. Und zwar so, wie es Terroristen eben tun.

Aus Sicht der Hamas waren sie dabei äußerst erfolgreich. Von Friedenssuche ist keine Rede mehr, die mit Vernichtungsfantasien unvereinbare Zwei-Staaten-Lösung vorerst de facto vom Tisch. Der Nahe Osten droht in einem Meer aus Blut zu versinken.

Israel ist nicht mehr zu stoppen. Auch nicht durch gut gemeinte Zurufe von Freunden und Verbündeten. Regierungschef Benjamin Netanyahu scheint fest entschlossen, den Konflikt militärisch zu lösen, indem alle Terrorstrukturen bis in die Schaltstellen im Iran, in Syrien und im Libanon zerstört werden. Er soll nicht enden wie der Libanonkrieg 2006, als die Hisbollah den folgenden Waffenstillstand nur zur Reorganisation und Verstärkung ihres Terrorpotenzials im Grenzgebiet zu Israel nutzte.

Die USA unterstützen den Kampf gegen diese Hydra, fordern aber mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und bremsen, wenn ein direkter Schlagabtausch mit dem nuklearen Schwellenland Iran droht.

Europa wieder einmal uneinig

Und Europa? Ist sich wieder einmal uneinig, in der Tendenz aber zunehmend kritisch gegenüber Israels blutigem Feldzug. Spanien. Irland, Slowenien und das Nicht-EU-Mitglied Norwegen belohnten die Hamas heuer sogar mit der Anerkennung des die völkerrechtlichen Voraussetzungen dafür gar nicht erfüllenden „Staates“ Palästina.

Als Zielgebiet nicht nur von Flüchtlingen, sondern auch von Terroristen hätten die Europäer den Status quo ante als durchaus passabel empfunden: Die Hamas feuert alle paar Tage ein paar (meist ohnehin am Iron Dome scheiternde) Raketen ab, Israel schießt ein bisschen zurück, ab und zu ermordet ein Islamist einen Juden, was Europa protestierend zur Kenntnis nimmt, aber der große Clash bleibt aus. Die Lunte am Pulverfass brennt zwar, wirkt aber so unendlich lang wie der Geduldsfaden derer, die vom Hamas-Terror nicht unmittelbar betroffen sind und von Brüssel, London, Berlin, Wien oder Washington aus gute Ratschläge für Verhandlungen erteilen.

Wenn Extremisten das Innviertel zurückfordern…

Man stelle sich nur einmal vor: Hinter der Grenze in Passau stünden bajuwarische Extremisten, die das 1779 im Frieden von Teschen an Österreich abgetreten Innviertel zurückhaben wollen und dieser Forderung mit täglichem Raketenbeschuss auf Schärding oder Linz Nachdruck verleihen.

Zugleich kommt es weltweit zu Demonstrationen, bei denen Österreich als Ganzes das Existenzrecht abgesprochen wird. Etwa nach der auf Gaza-Solidaritätsdemos verbreiteten Parole: „From the (March-)River to the (Boden-)Sea Austria will be free“.

Würde Österreich dann auch stillhalten und in Verhandlungen treten? Und zwar in Verhandlungen mit Extremisten, die von vornherein jeden Kompromiss ablehnen und auch jeden friedliebenden Bayern, der gute Nachbarschaft mit Österreich möchte, als Verräter umbringen?

Genau das wird mehr oder weniger deutlich von Israel verlangt. Vielleicht nicht direkt mit den Mördern verhandeln, aber warum nicht über Vermittlung durch deren Freunde in Katar, Teheran oder Ankara?

Nicht länger wie die Schafe zur Schlachtbank

Israel hat dies jahrzehntelang versucht, sich als einzige Demokratie in der Region den Appeasement-Träumen des Westens nicht verschlossen, zum Beispiel 2005 den Gazastreifen geräumt und den Palästinensern samt wertvoller Infrastruktur überlassen. Was folgte, war ein blutiger Bruderkrieg unter Palästinensern und die Machtübernahme der Hamas.

Seit dem 7. Oktober 2023 ist Schluss mit kompromisslustig. Israel besinnt sich wieder mehr der Worte von Abba Kovner. Der Anführer des Widerstands im jüdischen Ghetto von Wilna im Nazi-besetzten Litauen hatte 1942 dieses Manifest veröffentlicht: „Hitler will alle Juden Europas töten. … Lasst uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank gehen! Es stimmt, wir sind schwach und hilflos, aber die einzige Antwort an den Feind ist Widerstand!“

Heute will kein Hitler alle Juden töten, aber unzählige, auch in Europa geduldete Islamisten, träumen genau davon. Aber heute ist Israel nicht mehr schwach und hilflos. Es kann sich wehren. Und es wehrt sich.

Dabei nimmt es in Kauf, den pr-Krieg verloren zu haben. Die Bilder des Grauens vom 7. Oktober sind längst überlagert von den Bildern des Grauens aus Gaza, Israels Image ist ramponiert wie nie zuvor. Was Ursache und was Wirkung ist, spielt in der Debatte kaum noch eine Rolle. Und von der Kritik an Israel ist es oft nur ein Schritt zum Antizionismus und von dort ein noch kleinerer zum puren Antisemitismus.

Es geht nicht nur um Israel und die Palästinenser

Israel ist sich wohl bewusst, dass es nur noch wenige bis gar keine Freunde haben wird, wenn es weiter auf die militärische Karte setzt. Doch was hat es von Freunden, die nur Freunde sind, solange es sich wie das Schaf vor der Schlachtbank verhält? Israel befindet sich in einem Überlebenskampf, in dem es letztlich auch um uns hier in Europa geht. Denn die Islamisten in Nahost haben nicht nur Israel im Visier, sondern die westliche Ordnung insgesamt. Diesen mörderischen Drahtziehern geht es gar nicht um die Palästinenser, sondern um die Schaffung einer islamistischen Ordnung, in der kein Platz mehr ist für Demokratie, Trennung von Staat und Religion, Minderheiten- oder Frauenrechte. Vielleicht bedenken das jene LGBTQI+-Aktivisten, die gern für Gaza demonstrieren. Auch die linken Antifaschisten stehen im Sympathieranking der Islamisten nur als nützliche Idioten ganz weit oben.

Wer Israel auffordert, endlich zur Vernunft zu kommen, sollte mit gutem Beispiel vorangehen und die muslimbrüderliche Rattenfängerpropaganda als solche entlarven. Denn: Israel verteidigt gerade nicht nur sich!

Analyse von Manfred Maurer

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