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Theologe Khorchide liefert mit Erstlingsroman „Sieben verlorene Perlen“ ein Reform-Manifest
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Da hat sich der wegen seiner reformerischen Ideen seit zehn Jahren unter Polizeischutz stehende Islam-Theologe Mouhanad Khorchide wieder etwas geleistet, das weniger liberal gesinnten Glaubensbrüdern nicht gefallen wird.
Nach einigen theologischen Sachbüchern, in denen es um die Vision eines barmherzigen, von fundamentalistischen Irrungen befreiten Islam geht („Islam ist Barmherzigkeit“ oder „Gottes falsche Anwälte — der Verrat am Islam“), hat der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster seinen ersten Roman veröffentlicht.
Diesen als Fiktion zu lesen fällt schwer in Kenntnis der Biografie des Autors. Denn die deckt sich weitgehend mit jener des Protagonisten Rayyan, der — wie Khorchide — als Spross einer 1948 in den Libanon geflüchteten Palästinenserfamilie über die Zwischenstation Saudi-Arabien, wo er zur Schule geht, in Österreich landet, wo er vom Medizin- zum Theologiestudenten mutiert.
Den Vorwurf des Kafirs (Ungläubiger, Abtrünniger) provoziert schon die Wahl des Verlages: „Sieben verlorene Perlen — Rayyans Reise zu den Schätzen des Islams“) erschien beim katholischen Bonifatius-Verlag in Paderborn.
Und dann erlangt dieser Rayyan auch noch wesentliche Erkenntnisse über die heutige Misere seiner Religion ausgerechnet an Orten wie dem Wiener Stephansdom oder einem katholischen Studentenheim.
Niedergang einer Hochkultur
Um diese Frage geht es nämlich: Wie konnte es passieren, dass der in Wissenschaft und Forschung einst führende Islam sich von einer die abendländische Welt in den Schatten stellenden Hochkultur zu dem entwickelte, was er heute ist? Rayyan fragt das seine Lehrer in der Schule in Riad: „Was ist passiert, dass wir Muslime heute so weit hinten stehen?“ Der 17-Jährige macht sich im Roman mit solchen Fragen so unbeliebt wie Khorchide in der Realität. Für Salafisten wie Pierre Vogel ist der Leiter des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle Politischer Islam in Wien schlicht ein „Ungläubiger“.
Rayyan bekommt keine befriedigenden Antworten, nur Erinnerungen an den verblassten frühislamischen Glanz und die Erklärung des Niederganges mit mangelnder Frömmigkeit. Aber er bekommt Besuch. Im Traum. Von Scheich Hasan, der ihm eine muslimische Gebetskette schenkt, welcher jedoch sieben von 99 Perlen fehlen. Die soll Rayyan suchen, denn dann, so der Scheich, „wirst du verstehen, was dem Islam heute fehlt“.
Wie den jungen Khorchide verschlägt es Rayyan nach Wien zum Medizinstudium, von dem er aber in der Auseinandersetzung mit seinem Glauben in Richtung Theologie abdriftet. Im Stephansdom führt ihn ein alter Mann zur ersten verlorenen Perle: Den Glauben an einen gütigen, nicht strafenden Gott, der vielen Muslimen abhanden gekommen ist. Perle Nummer zwei, die der Studiosus im Muslimen gegenüber toleranten Kolpingheim entdeckt, thematisiert einen muslimischen Identitätsverlust, der zu einer narzistischen Selbstüberhöhung über andere Religionen führt.
Wenig realistische Fiktion
Die dritte Perle findet Rayyan nach einem Bewerbungsgespräch als Religionslehrer mit dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), in dem er Kopftuchgebot und Verdammung der Homosexualität infrage stellt. Die von Rayyyan entdeckte Perle steht für die dem Islam abhanden gekommene Pluralität.
Die vierte Perle repräsentiert die verlorene Bereitschaft, den Koran nicht als statische Vorgabe zu sehen, sondern dessen Botschaft weiterzuentwickeln — auch in Richtung eines europäischen Islam. Die Fünfer-Perle steht für Glauben als Geschehen der Liebe, Nummer sechs für befreiende Versöhnung und Nummer sieben für Spiritualität.
Die erfolgreiche Perlensuche entspricht Khorchides Vision von einem reformierbaren, selbstreflektierten Islam. Sein Roman zeichnet eine Utopie der Barmherzigkeit, also einer friedlicheren Welt. Doch die bittere Realität des Islam, wie er sich heute vielerorts präsentiert, lässt wenig Hoffnung auf eine baldige Realisierung dieses Traumes.