Deutschland verschärft Kurs: Abschiebungen nach Afghanistan

Die deutsche Regierung verschärft den Asylkurs deutlich: Nach der Vorlage eines Maßnahmenpakets mit Gesetzesverschärfungen wurden am Freitag erstmals seit der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban im August 2021 wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben. „Deutschland schiebt heute 28 Straftäter nach Afghanistan ab“, teilte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser mit.

„Das ist ein klares Zeichen: Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen“, sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag. Er kündigte in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zudem „harte Gespräche“ mit europäischen Partnern an, damit diese Flüchtlinge zurücknehmen, deren Asylverfahren dort laufen sollten.

Nach dem tödlichen Anschlag auf einen Polizisten in Mannheim Ende Mai hatte Scholz angekündigt, dass man Straftäter auch nach Afghanistan und Syrien abschieben wolle. Die tödliche Messerattacke von Solingen, bei der Ende vergangener Woche auf einem Volksfest drei Menschen getötet und acht verletzt wurden, hatte dann eine breite Debatte über Gesetzesverschärfungen in Gang gesetzt.

Die Ampel-Koalition legte deshalb am Donnerstag ein Maßnahmenpaket vor, das unter anderem eine Verschärfung der Waffengesetze und die Streichung von Leistungen für Personen vorsieht, die eigentlich von einem anderen Schengen-Staat betreut werden müssten. Zudem sollen Besuche von Afghanen und Syrern in ihrer Heimat dazu führen, dass sie in Deutschland ihren Schutzstatus verlieren. Scholz hatte Donnerstagabend angekündigt, dass die Ampel ihre zwischen SPD, Grünen und FDP vereinbarten Punkte schnell umsetzen werde. Am Dienstag wollen Bund, Länder und die oppositionelle Union über weitere Maßnahmen beraten.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, beharrte gegenüber der „Rheinischen Post“ darauf, dass die Regierung wegen der hohen Zahl an neu ankommenden Flüchtlingen und Migranten eine „nationale Notlage“ ausrufen müsse. In Düsseldorf forderte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst ein Ende illegaler Einreisen nach Deutschland. Dies sei nötig, um das Problem einer Überforderung durch Migranten in Ländern und Kommunen zu stoppen, sagte der CDU-Politiker im Landtag.

Laut „Spiegel“ startete ein Flugzeug mit 28 schweren Straftätern an Bord in der Früh von Leipzig in Richtung Kabul. Unter Berufung auf Sicherheitskreise hieß es weiter, die Afghanen seien aus mehreren deutschen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden. Jeder Abgeschobene habe vor dem Flug 1.000 Euro Handgeld erhalten. Scholz sagte, die Aktion sei von langer Hand vorbereitet gewesen.

Vor allem das deutsche Auswärtige Amt hatte auf die rechtlichen und organisatorischen Probleme einer Abschiebung verwiesen, weil es keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu den in Afghanistan regierenden radikal-islamischen Taliban gibt. Man habe die Rückführung über „regionale Schlüsselländer“ erreicht, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ob es sich dabei nur um Katar und Usbekistan handelt, wollte er nicht sagen. Die Taliban unterhalten in Katar ein Verbindungsbüro, über das es Kontakte gegeben haben soll. Ob auch Abschiebungen nach Syrien in Vorbereitung sind, wollte Hebestreit ebenfalls nicht sagen.

Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan gelten als umstritten. Kritiker halten sie für nicht vereinbar mit dem deutschen Grundgesetz und dem Völkerrecht, denn in Afghanistan drohen Menschenrechtsverletzungen. Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck verteidigte die Abschiebungen: „Wir haben stets gesagt: Mörder, Islamisten, Vergewaltiger, Schwerkriminelle, die unseren Schutz missbrauchen, müssen das Land verlassen. Daher ist das konsequent“, sagte er zu Reuters. Gleichzeitig müsse das Asylrecht unangetastet bleiben. Die deutsche Regierung deutete an, dass Absprachen getroffen wurden, dass den zurückgeschickten Afghanen keine Todesstrafe droht.

„Wer mit den Taliban zusammenarbeitet, der fördert den Islamismus, anstatt ihn zu bekämpfen“, kritisierte dagegen ein Sprecher der Nichtregierungsorganisation ProAsyl. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International übte Kritik. „Menschenrechte haben wir alle – und niemand darf in ein Land abgeschoben werden, wo Folter droht“, sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. „Es ist alarmierend, dass sich die Bundesregierung über diese Verpflichtungen hinwegsetzt und Menschen nach Afghanistan abgeschoben hat.“ Die AfD warf der deutschen Regierung Aktionismus vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag vor.

Scholz kündigte zudem an, dass sich seine Regierung um bessere Absprachen mit europäischen Partnern kümmern werde. Hintergrund ist, dass Deutschland im Jahr 2023 mehr als 70.000 Anträge an andere Schengen-Staaten gestellt hatte, damit diese Flüchtlinge zurücknehmen, die dort bereits einen Asylantrag gestellt haben oder hätten stellen müssen. Die Zahl der tatsächlichen Rückführungen lag aber nur bei 5.053 Personen. Seit Jänner 2024 hätten andere Schengen-Mitgliedstaaten in 25.049 Fällen eine Rücksendung aus Deutschland akzeptiert – für diese Personengruppe kämen die nun anvisierten Leistungskürzungen infrage, sagte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums.

Scholz verwies auf Verbesserungen durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das allerdings teilweise erst 2026 in Kraft tritt. „Trotzdem führen wir harte Gespräche mit unseren Nachbarn, wenn sie zum Beispiel Asylbewerber einfach zu uns durchwinken“, sagte er. Man spreche auch „sehr deutlich“ mit Italien, das sich seit Ende 2022 weigert, Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Im Falle Griechenlands verhinderten allerdings deutsche Gerichte oft eine Rückführung.

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