Nach Einbruch der Dunkelheit hat Israels Militär erneut Ziele nahe der libanesischen Hauptstadt Beirut bombardiert. Eine Augenzeugin berichtete von mindestens acht lauten Explosionen. Die Luftangriffe folgten auf mehrere Evakuierungsaufrufe des israelischen Militärs an die Bewohner der als Dahiya bekannten Vororte. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Wohnhäuser wurden jedoch schwer beschädigt, wie in Videos libanesischer Medien zu sehen war.
Nach Angaben der israelischen Armee wurden zwölf „Kommandozentralen“ der proiranischen Hisbollah angegriffen. Die Einrichtungen seien unter anderem für den Nachrichtendienst, für eine Raketeneinheit und für den Waffenschmuggel der Miliz verantwortlich gewesen. Am Samstag waren libanesischen Angaben zufolge 84 Menschen bei israelischen Luftangriffen getötet worden.
Hisbollah feuerte 250 Raketen auf Israel
Trotz neuer Bemühungen um eine Waffenruhe im Libanon eskalierten in den vergangenen Tagen die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der proiranischen Hisbollah-Miliz und Israels Militär. Die schiitische Miliz feuerte am Samstag rund 250 Geschosse auf Ziele in Israel. Im Süden des Libanons kam es rund um die Stadt Khiam zu erbitterten Gefechten. Israels Luftwaffe intensivierte ihre Angriffe am Wochenende.
Bei den Raketenangriffen der Hisbollah wurden mindestens sechs Personen verletzt, hieß es vom Rettungsdienst. Aufnahmen des medizinischen Dienstes MDA zeigten in Petah Tikva brennende Autos. Dort heulten am Abend erneut die Sirenen. Die Hisbollah erklärte, zwei Präzisionsraketen auf militärische Ziele in Tel Aviv und Umgebung abgefeuert zu haben. Im israelisch besetzten Westjordanland wurden nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmonds 13 Menschen verletzt, als eine israelische Abfangrakete in der Stadt Tulkarem einschlug. Mehrere Häuser seien beschädigt worden.
EU-Chefdiplomat Josep Borrell forderte bei einem Besuch in der libanesischen Hauptstadt Beirut mehr Druck auf die Kriegsparteien. Ohne eine Feuerpause könnten weder Israelis noch die Binnenvertriebenen im Libanon zurück in ihre Heimat, schrieb Borrell nach Gesprächen mit der libanesischen Führung auf der Plattform X. „Die israelische Armee hat ganze 37 Dörfer im Südlibanon ausgelöscht und wirft weiterhin Ein-Tonnen-Bomben auf das Zentrum von Beirut. Das muss aufhören, ebenso wie die Angriffe der Hisbollah auf israelische Gemeinden“, sagte Borrell nach Gesprächen mit Ministerpräsident Najib Mikati und Parlamentspräsident Nabih Berri, der als Hisbollah-Vertrauter gilt.
Libanon berichtete von 84 Toten am Samstag
Am Samstag waren bei israelischen Luftangriffen im Libanon nach Angaben des Gesundheitsministeriums 84 Menschen getötet und 213 verletzt worden. Allein in Beirut gab es 27 Tote, wie die Behörden am Sonntagabend mitteilten. Die Bergungsarbeiten waren noch im Gange. Am Samstag war noch von 20 Toten in Beirut die Rede gewesen. Die Hisbollah-Miliz beschießt Israel seit Beginn des Gaza-Krieges vor mehr als einem Jahr mit Raketen. Israel antwortet mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.
Am Sonntag lieferten sich die israelische Armee und die Hisbollah-Miliz weitere Gefechte um den Ort Khiam im Süden. Berichten der Staatsagentur NNA zufolge griff das israelische Militär den wichtigen Ort aus der Luft und mit Artillerie an. Bodentruppen versuchten weiter, in den Ort vorzudringen. Es seien die schwersten Angriffe in Khiam seit zwei Monaten gewesen. Die libanesische Armee, die eigentlich nicht an dem Krieg beteiligt ist, beklagte weitere Opfer: Ein Soldat sei getötet worden und 18 weitere verletzt, teilte sie nach einem Angriff auf einen ihrer Stützpunkte nahe der Küstenstadt Tyrus mit. Die Staatsagentur NNA berichtete, dass die israelische Armee diesen mit Artillerie beschossen habe und bei einem Waffenlager ein Feuer ausgebrochen sei.
Die israelische Armee äußerte Bedauern nach dem Angriff. Er habe sich in einem Gebiet ereignet, in dem mit der Terrororganisation Hisbollah gekämpft werde. Die Armee richte ihre Angriffe dabei nur gegen die Schiitenmiliz und nicht absichtlich gegen die libanesischen Streitkräfte, hieß es in einer Mitteilung. Der Vorfall werde untersucht. Die libanesischen Streitkräfte geraten im eigenen Land zunehmend zwischen die Fronten. Seit Israel die Angriffe im Nachbarland im September ausweitete, meldete die Armee mehrere Tote.