Ungeachtet scharfer Kritik aus den USA hat Israel seine Angriffe auf Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut nach fast einwöchiger Pause wieder aufgenommen. Dem vorangegangen waren rund 50 Geschosse, die laut der israelischen Armee in der Nacht auf Mittwoch aus dem Libanon auf Nordisrael abgeschossen wurden. Eine Reihe schwerer israelischer Luftangriffe hat außerdem die südlibanesische Stadt Nabatiya und Umgebung getroffen. Die UNO verurteilte den „verheerenden“ Angriff.
Einer Meldung der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA zufolge gab es mindestens sieben Luftschläge auf die Stadt selbst. Bei einem Angriff auf Gebäude der Stadtverwaltung seien 16 Menschen getötet und weitere 52 verletzt worden, hieß es in einer Mitteilung des libanesischen Gesundheitsministeriums. Laut einer NNA-Meldung wurde auch der Bürgermeister Nabatiyas, Ahmad Kahil, getötet. Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie schwarze Rauchwolken in dem Gebiet aufstiegen.
Der geschäftsführende libanesische Regierungschef Najib Mikati bezeichnete den Angriff auf die Stadtverwaltung als „Verbrechen“. Der Luftschlag sei gezielt auf eine Sitzung gerichtet gewesen, bei der es um die humanitäre Situation gegangen sei, sagte Mikati laut der der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA. Das israelische Militär teilte hingegen mit, es habe Dutzende terroristische Ziele der Hisbollah im Gebiet Nabatiyas angegriffen und unterirdische Infrastruktur der Eliteeinheit Radwan im Süden des Libanons zerstört.
Das UNO-Nothilfebüro OCHA kritisierte anlässlich des „verheerenden Angriffs“, dass die israelischen Angriffe auf den Libanon immer „schwerwiegendere Auswirkungen auf zivile Infrastrukturen und die Zivilbevölkerung“ hätten. Gesundheitseinrichtungen, Moscheen, historische Märkte, Wohnkomplexe und nun auch Regierungsgebäude würden in Schutt und Asche gelegt. Vertriebene Familien fühlten sich weiterhin gefährdet, auch wenn sie bereits in vermeintlich sichere Gebiete geflohen seien.
Bei weiteren Angriffen auf den Ort Kana im Libanon wurden nach Behördenangaben drei Menschen getötet und 54 verletzt. Im Osten des Landes kamen bei israelischen Angriffen außerdem zwei Menschen ums Leben, neun wurden verwundet.
Zwei Helfer des Libanesischen Roten Kreuzes sind nach eigenen Angaben infolge eines israelischen Angriffs im Südlibanon verletzt worden. Zwei Krankenwagen seien am Nachmittag in dem Ort Jouaya eingetroffen, nachdem es dort einen israelischen Angriff gegeben habe, teilte die Hilfsorganisation auf der Plattform X mit. Der Einsatz erfolgte demnach in Abstimmung mit der UNO-Friedensmission UNIFIL. Kurze Zeit später sei der Ort erneut bombardiert worden. Dabei seien zwei freiwillige Rettungskräfte leicht verletzt worden, hieß es. Das israelische Militär äußerte sich zunächst nicht.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit Beginn der massiven Angriffe Israels im Libanon vor fast einem Monat 23 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen gezählt. Dabei wurden der WHO zufolge sowohl Gesundheitspersonal als auch Patienten getötet.
Nach einer Evakuierungsaufforderung des israelischen Militärs erschütterte eine heftige Explosion das Beiruter Viertel Haret Hreik und zwei weitere Orte in den als Dahiya bekannten südlichen Vororten Beiruts. Die israelischen Streitkräfte teilten mit, Ziel eines Luftschlags sei ein unterirdisches Lager strategischer Waffen gewesen. Vor dem Angriff seien Maßnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern.
Die US-Regierung hatte Luftschläge auf Beirut zuvor ungewöhnlich deutlich kritisiert. „Wir haben Israel unmissverständlich mitgeteilt, dass wir ihre fast täglichen Angriffe in dicht besiedelten Gebieten in Beirut ablehnen“, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die Evakuierungswarnungen des israelischen Militärs zuletzt als unzureichend und in manchen Fällen irreführend kritisiert.
Seit September hat Israel zahlreiche Ziele in den südlichen Vororten Beiruts bombardiert und dabei auch mehrere Hisbollah-Anführer getötet. Die dicht besiedelten Viertel, bekannt unter dem Namen Dahiya, gelten als Hochburgen der Schiitenmiliz Hisbollah. Auch im Zentrum Beiruts gab es vereinzelt Luftangriffe.
Die in der Nacht auf Mittwoch aus dem Libanon auf Nordisrael abgeschossen Raketen haben laut israelischer Armee keine Opfer gefordert. „Einige Geschosse wurden abgefangen und heruntergefallene Geschosse wurden in der Gegend identifiziert“, erklärte das Militär. Die Hisbollah-Miliz im Libanon erklärte ihrerseits, sie habe „eine große Raketensalve“ auf die nordisraelische Stadt Safed abgefeuert.
Insgesamt sind seit Ausbruch der Gefechte zwischen der proiranischen Hisbollah-Miliz und dem israelischen Militär vor gut einem Jahr 2.367 Menschen im Libanon getötet und 11.088 weitere verletzt worden. Das Gesundheitsministerium unterscheidet in seiner Aufzählung nicht zwischen Hisbollah-Mitgliedern und Zivilisten.