Jurist: „Wer Scharia für alle will, den muss der Staat bekämpfen!“

Passauer Jus-Professor und Islam-Experte Holm Putzke für konsequenteres Vorgehen gegen Islamisten

VOLKSBLATT: In Deutschland formiert sich für die Europawahl die Partei „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“ (DAVA). Ihre Spitzenkandidaten kommen von der AKP-Organisation „Union Internationaler Demokraten“ (UID) bzw. der vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Milli-Görüs-Gemeinschaft (IGMG) und der DITIB, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet untersteht. Die Aufregung hält sich aber in Grenzen. Wie erklären Sie sich diese Gelassenheit?

HOLM PUTZKE: Das lässt sich nur mit einer Mischung aus Unwissenheit und Naivität erklären. Unwissenheit über die wirklichen Ziele und diejenigen Personen, die die Gruppierung prägen. Alle, die in einer offenen Gesellschaft leben wollen, müssen gewarnt sein und die Gefahren thematisieren. Denn wenn man sich das Programm der DAVA und ihre Protagonisten anschaut, ist leicht zu erkennen, was die DAVA im Schilde führt: Erstens geht es ihr um islamische Einflussnahme auf die europäischen Demokratien im Fahrwasser demokratiefeindlicher Politik der türkischen AK-Partei und ihres autoritären Vorsitzenden Recep Tayyip Erdogan. Und zweitens geht es darum, auch berechtigte Islam-Kritik zu unterdrücken. (Dazu: Erdogan-Jubler und Israel-Hasser)

Gefahr nicht realisiert

Es bleibt sogar ohne Folgen, zur Ermordung von Juden aufzurufen, wenn dies mit einem Hadith geschieht, also einer dem Propheten Mohammed zugeschriebenen Aussage. Weder in Österreich noch in Deutschland gehen Behörden gegen Buchhandlungen vor, die etwa das Buch „Fatwas über Palästina“ des Muslimbruders Yusuf el Qaradawi anbieten, das neben dem Aufruf zur Ermordung von Juden auch den Holocaust als gerechte Strafe Allahs darstellt. Wie erklärt sich das der Rechtswissenschaftler?

In Zeiten einer digitalisierten und globalisierten Welt ist es schwierig, den Zugang zu Hetzschriften zu verhindern. Sie sind aber jedenfalls zu konfiszieren, wenn sie etwa in einer Buchhandlung angeboten werden und in ihnen der Holocaust gerechtfertigt oder gar zur Ermordung von Menschen, ganz egal welcher Weltanschauung, aufgerufen wird. Noch wichtiger ist es, die darin proklamierte Ideologie zu bekämpfen. Doch bislang hat nahezu kein europäisches Land die Gefahren realisiert, die mit dem Islam und seinen orthodox-reaktionären Interpreten einhergehen. Um es ganz klar zu sagen: Der politische Islam bedroht die westliche liberale demokratische Ordnung und untergräbt die damit verbundenen Menschenrechte und Werte. An diesem Punkt endet auch die Religionsfreiheit, hinter der sich diese Freiheitsfeinde immer zu verstecken versuchen.

Wer derartige Entwicklungen kritisiert, ist schnell mit Vorwürfen wie „antimuslimischer Rassismus“ oder gar Rechtsextremismus konfrontiert. Das will kaum jemand riskieren. Könnte das die Zurückhaltung vieler Politiker erklären?

Dass Islam-Kritik oft nur zurückhaltend geübt wird, hängt mit eingeübten Reaktionsmustern zusammen: Die Kritisierten nutzen ein Opfernarrativ und kritisieren dann aus einer Opferrolle heraus Kritiker als „islamophob“. Oft springen ihnen Vertreter der linken oder woken Bewegung zur Seite, die gar nicht merken, dass sie in einem islamisierten Staat die ersten wären, die ihre Freiheit verlören. Selbst wenn die Kritik westliche Werte betont, etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder von Menschen mit anderer Geschlechtsidentität, die Religionsfreiheit oder die Trennung von Staat und Religion, wird den Kritikern eine islamophobe Motivation unterstellt oder pauschal, dass man keine Ahnung vom „wahren Islam“ habe. Das ist natürlich durchsichtig, aber es hält viele davon ab, Kritik zu üben. Laut hörbar sind dann meist allein radikale Kräfte, die ihre Abneigung gegen alles Fremde in Religionskritik verpacken, in Wahrheit aber völkisch-identitär eingestellt sind. In diese Nähe werden dann aber auch Islamkritiker gestellt, die berechtigte Kritik üben. Weil man weder gern als islamophob bezeichnet werden noch in der rechtsradikalen Ecke landen möchte, hält die gemäßigte Mitte sich mit Kritik eher zurück. Doch das ist gefährlich. Je mehr Muslime ihre mittelalterlichen Glaubensvorstellungen nach Europa mitbringen, umso notwendiger ist es, westliche Werte zu verteidigen. Die Ideologie des Islam passt weder zu Österreich noch zu Deutschland noch sonst zu einer europäischen Demokratie.

Wer Extremismus kritisiert, erntet in der Regel Beifall, es sei denn, es handelt sich um Rechtsextremismus à la Graue Wölfe oder religiösen Extremismus à la Milli Görüs. Deren Mitglieder können sogar unbehelligt als Religionslehrer arbeiten und werden von manchen Politikern hofiert.

Wer solche Leute hofiert, stellt sich auf die Seite von Demokratieverächtern. Es braucht mehr öffentliche Aufklärung über solche Gruppierungen. Den Medien kommt hier eine besondere Bedeutung zu.

Nehammer setzt wichtige Akzente

Die „Operation Luxor“ gegen mutmaßliche Unterstützer der Muslimbrüder in Österreich gilt mittlerweile als Flop, weil mehr als zwei Jahre danach viele Verfahren eingestellt werden mussten und noch gegen keinen Verdächtigen Anklage erhoben werden konnte. (Dazu: Operation Luxor: (K)ein Flop…) Ist der Rechtsstaat da zu schwach aufgestellt?

Der Staat hat genügend Instrumente, seine Feinde zu bekämpfen. Und wenn dabei nichts herauskommt, beweist ja auch das in der Regel, dass der Rechtsstaat funktioniert. Aber in der Vergangenheit fehlten oft Sensibilität und Mut, sich mit religiösem Extremismus auseinanderzusetzen. Die dafür notwendigen Impulse zu setzen, ist auch Aufgabe der Politik. Das beginnt beim Umgang mit illegaler Migration, der Integration und einem Bekenntnis zu Menschenrechten als Teil unserer Leitkultur. Der Österreichplan von Bundeskanzler Karl Nehammer setzt dazu wichtige Akzente.

Der Staat muss konsequenter sein

Eine besondere Spielart des politischen Islams ist der legalistische Islamismus. Er versucht seine Ziele mit rechtsstaatlichen Mitteln zu erreichen, sprich: die Demokratie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Da stößt der Rechtsstaat wohl an seine Grenzen?

Nicht zwangsläufig. Wer, auch ohne Gewalt, die Umformung des demokratischen Rechtsstaats hin zu einem Staat mit Geltung islamischen Rechts anstrebt, ist ein Feind offener Gesellschaften mit ihren freiheitlich-demokratischen Grundordnungen. Dazu gehören alle, die den dazu im Widerspruch stehenden Regeln der Scharia folgen und diese über weltliches Recht stellen. Religiöser Fundamentalismus ist menschenfeindlich. Wer sich — mit dem Anspruch der Allgemeingültigkeit — nach der Scharia richten möchte, den darf und muss der Rechtsstaat bekämpfen, etwa indem er Vereine verbietet oder Moscheen schließt. Der Staat muss hier konsequenter agieren.

Der deutsche Verfassungsschutz stuft zahlreiche islamistische Gruppierungen wie die IGMG als verfassungsfeindlich und extremistisch ein. Folgen hat das offenbar keine. Sollten verfassungsfeindliche Gruppen nicht gleich verboten werden?

Diese Einstufung ist wichtig, um solche Gruppen zu überwachen, Informationen zu sammeln und darüber zu informieren. Sobald die Voraussetzungen eines Verbots rechtssicher gegeben sind, muss der Staat handeln. Gründlichkeit ist bei solchen einschneidenden Maßnahmen wichtiger und besser als Schnelligkeit.

Gefahr für unsere Demokatie

Der Plural-Verlag der europaweit operierenden IGMG beliefert Koranschulen (nicht nur) in Österreich mit Lehrmitteln, die Experten als integrationsfeindlich und islamistisch werten. Müsste nicht auf europäischer Ebene schärfer gegen solche Tendenzen vorgegangen werden?

Wie etwa die Studie unter Leitung des Linzer Theologen Thomas Schlager-Weidinger und die Analyse des Lehrmaterials durch den Religionspädagogen Mouhanad Khorchide von der Universität Münster gezeigt haben, sind Koranschulen Keimzellen für reaktionäres, nationalistisch-islamistisches Gedankengut und damit eine Gefahr für unsere Demokratie (Dazu: Schulen des Politischen Islam). Die europäische Gemeinschaft wäre insgesamt gut beraten, gemeinsame Anstrengungen zu ergreifen, um integrationsfeindliche Bestrebungen zu bekämpfen, die nicht vereinbar sind mit unseren Werten. Wehrhaft ist eine Demokratie nur dann, wenn sie sich entschlossen und rechtzeitig wehrt.

Interview: Manfred Maurer


Holm Putzke: Der politische Islam bedroht die westliche liberale demokratische Ordnung! ©privat

ZUR PERSON

Dr. Holm Putzke ist Professor für Strafrecht an der Universität Passau, zudem Inhaber einer Professur an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden sowie Gastprofessor an der Bahcesehir Universität in Istanbul.

Er ist Autor zahlreicher Publikationen und hat sich wissenschaftlich unter anderem intensiv mit der religiös motivierten Genitalverstümmelung von Buben im Islam und Judentum beschäftigt.

Für die EU und OSZE war er als Berater tätig sowie Sachverständiger, unter anderem für den Deutschen Bundestag und Bayerischen Landtag. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer ist er als Strafverteidiger tätig.

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