Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) sieht die angestrebte Reform des Südtiroler Autonomiestatuts mit der Wiederherstellung verloren gegangener Kompetenzen trotz Verzögerung weiter auf Schiene. „Es ist realistisch, dass der Text für den Verfassungsgesetzesentwurf noch heuer fertig ist“, sagte Kompatscher im APA-Interview. Indes ließ der Landeshauptmann weiter offen, ob er bis zum Ende seiner nunmehr letzten Periode im Jahr 2028 im Amt bleiben werde.
Erfolge wie angestrebt Anfang kommendes Jahres der Beschluss im Ministerrat durch die Rechtsregierung Giorgia Melonis, rechnete Kompatscher wie bisher mit ein bis zwei Jahren, bis das Verfassungsgesetz beide Kammern des Parlaments passiert haben wird. Somit sollte man die Causa – wie bisher avisiert – „zeitgerecht in dieser Periode“ über die Bühne gebracht haben, spielte der Landeshauptmann auf die nächste planmäßige Parlamentswahl in Italien an, die im Jahr 2027 ansteht. Wichtig sei aber, dass man sich „nicht mehr ewig Zeit lässt“, machte Kompatscher etwas Druck. So hatte es zuletzt Verzögerungen gegeben. Eigentlich sollte der Entwurf schon im Sommer vorliegen. Zuletzt hatten einige Ministerien in Rom entsprechende Gutachten nicht geliefert, was wiederum zu einer kleinen Verzögerung führte. Für kommende Woche stand die nächste „technische Arbeitssitzung“ im Ministerium für Regionen an.
„Erfreulich und legitim“ wäre es, wenn das Südtiroler Bestreben auch in einem kurzen Passus Eingang in ein künftiges Koalitionsabkommen der neuen Bundesregierung in Österreich, der „Schutzmacht“ Südtirols, finden würde, sagte der Landeshauptmann: „Es wäre positiv, wenn unsere aktuelle Arbeit dort begleitet würde.“ Es stehe ihm aber nicht zu, Forderungen Richtung Wien zu erheben, betonte Kompatscher. Das sei auch gar nicht notwendig, denn: Er sei mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und weiteren Verantwortlichen in ständigem, guten Kontakt. Auch abseits der laufenden Verhandlungen mit Rom über die Autonomie wäre es „positiv“, wenn es – wie es bisher „immer gute Tradition“ war – wieder zu einem „Südtirol-Passus“ im Regierungsprogramm kommen würde. Zu den nunmehr angelaufenen Regierungsverhandlungen in Österreich an sich wollte sich der Südtiroler Landeshauptmann – auch dies hat „gute Tradition“ – nicht weiter äußern.
Mit Reform würden beträchtliche Befugnisse nach Südtirol wandern
Südtirol will durch die Autonomie-Reform verloren gegangene Kompetenzen zurückerlangen. Dabei geht es um die Wiederherstellung der Standards, die 1992 zur Streitbeilegung vor den Vereinten Nationen (UNO) geführt hatten und durch die italienische Verfassungsreform bzw. Urteile des Verfassungsgerichts über die Jahre immer wieder ausgehöhlt worden waren. Ministerpräsidentin Meloni (Fratelli d’Italia) hatte sich in ihrer Regierungserklärung zu Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 2022 dezidiert dafür ausgesprochen.
Gelingt die angestrebte Reform (eine solche betrifft auch das Trentino, Anm.), wären damit jedenfalls beträchtliche Befugnisse im Bereich der Gesetzgebung verbunden, die zu einer wesentlichen Stärkung der Südtirol-Autonomie beitragen und die Menschen in Südtirol auch in ihrem Alltag positiv spüren würden, betonte der Landeshauptmann. „Alle Bereiche wäre davon betroffen“, verdeutlichte Kompatscher. Denn seit der Verfassungsreform 2001 müsse man in der autonomen Provinz „in vielen Bereichen staatliche Bestimmungen abschreiben“ und uns „an staatliche Standards halten“. Würde dies geändert, werde man es spüren: „Wir können dann freier gesetzgebungsmäßig tätig werden.“ Dies betreffe etwa auch die gesamte Umwelt- und Klimapolitik – auch diese Bereiche wären von einer „Wiederherstellung“ umfasst.
Gesetzesentwurf soll Österreich übermittelt werden
„Man merkt: Ministerpräsidentin Meloni will das“, zeigte sich Kompatscher weiter zuversichtlich. Schließlich habe die Regierungschefin zuletzt auch selbst dahingehend einen „Termin“ genannt, dass innerhalb des Novembers der Textentwurf finalisiert werden sollte, was sich nunmehr nicht auszugehen scheint. Man beginne nun eben in den Ministerien auch „kritisch zu beachten“, was da von Südtiroler Seite an konkreten Vorstellungen vorgelegt wurde, sah der Landeshauptmann ein ganz normales Prozedere: „Seitens der Regierungsvertreter heißt es zuweilen: ‚Diese Formulierung geht aber über eine reine Wiederherstellung hinaus‘. Dieses zähe Feilschen ist ein Beleg dafür, dass man von einer anschließenden tatsächlichen Umsetzung ausgeht und die Verhandlungen deshalb sehr ernst nimmt. Wir kommen jetzt in die Phase, wo man ‚Ja oder Nein‘ sagt.“
Auch Österreich werde in dem Prozess eine Rolle spielen. Südtirol fordere, dass – sobald der Gesetzesentwurf dem Parlament vorliegen wird – dieser neben dem Landtag in Bozen auch Wien übermittelt wird, so Kompatscher. Das Parlament würde laut innerstaatlichem Recht dadurch zwar nicht gebunden, aber: „Dann noch was zu ändern, wäre ein völkerrechtlicher Fauxpas.“
Das Autonomie-Thema war ein zentraler Baustein bei der Bildung der Mitte-Rechts-Fünferkoalition aus Südtiroler Volkspartei, den Südtiroler Freiheitlichen, der Meloni-Partei Fratelli d’Italia, Lega und La Civica nach der Landtagswahl im vergangenen Oktober gewesen. Die Koalition, von Kompatscher stets als „Zweckbündnis“ tituliert, war aufgrund des schlechten SVP-Wahlergebnisses mehr aus der Not geboren. Dass sich einige Koalitionspartner in Rom und Bozen nunmehr aber quasi „überschneiden“, sollte der angestrebten Autonomie-Reform nicht abträglich sein.
Die Bildung der Koalition brachte Kompatscher und der SVP heftigen Gegenwind ein, Teile der Zivilgesellschaft protestierten gegen den „Pakt mit Faschisten“. Mittlerweile hätten sich die Gemüter aber weitgehend beruhigt, so Kompatscher. Man verfolge schließlich ein „liberales, auf europäischen Grundwerten aufbauendes, weltoffenes, pluralistisches Programm“, das in wesentlichen Teilen die Handschrift der SVP trage. Die Sammelpartei vertrete zudem ein „christlich humanistisches Weltbild“, das eine Distanz zu „reaktionären Welt- und Menschenbildern“ aufweise. Die Arbeit in einer Fünferkoalition sei logischerweise „komplizierter“, die Mehrheit im Landtag knapp, räumte Kompatscher ein, aber: „Wir sind vieles angegangen und haben bereits im ersten Jahr vieles umgesetzt.“
Kompatscher schließt Abgang vor 2028 nicht aus
Nicht festlegen lassen wollte sich der 53-Jährige, der Südtirol seit 2014 regiert, auf einen Verbleib bis zum Ende seiner letzten Legislaturperiode. „Ich habe einen Auftrag bis zum letzten Tag. Alles andere werden wir sehen. Was vorher stattfindet, was parteipolitisch vereinbart wird, was eventuell sinnvoll und nützlich erscheint.“ „Ich schließe in Bezug auf die Zukunft grundsätzlich nichts aus. Nicht dass es dann heißt, er hat es ausgeschlossen“, meinte Kompatscher etwas kryptisch auf die Frage, ob es zu einer vorzeitigen Übergabe an einen Nachfolger kommen könnte.