Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Fehlen von Waffen beklagt, um die an die Front heranrückenden nordkoreanischen Soldaten in den Diensten der russischen Armee zu bekämpfen. „Wir können alle Orte sehen, wo sich diese nordkoreanischen Soldaten aufhalten, jedes Lager“, sagte er in einer Videoansprache. „Wir könnten im Vorhinein zuschlagen, wenn wir denn die Möglichkeit und Reichweite (der Waffen) hätten.“ Doch dies hänge von den Partnern der Ukraine ab.
Diese haben Kiew auch nach monatelangen Bitten nicht die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen zu Angriffen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet erteilt. „Statt uns die entscheidende Reichweiten-Fähigkeit zu geben, schauen die USA, Großbritannien und Deutschland nur zu“, klagte Selenskyj in der abendlichen Botschaft. „Alle warten, während nordkoreanische Einheiten sich darauf vorbereiten, Ukrainer anzugreifen.“
Selenskyj forderte die Unterstützer der Ukraine auf, einzugreifen. „Wer in der Welt wirklich verhindern will, dass sich dieser Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausweitet und von Europa auf andere Regionen der Welt übergreift, darf nicht nur zuschauen.“
Erst am Vortag hatte das Weiße Haus von bis zu 8.000 Soldaten aus Nordkorea gesprochen, die im westrussischen Gebiet Kursk stünden. Washington geht von einem baldigen Kampfeinsatz dieser Einheiten aus. Weitere könnten folgen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten im eigenen Land nicht bestritten und darauf verwiesen, dass die Ukraine auf Personal aus NATO-Staaten zurückgreife.
Das international isolierte Nordkorea liefert unter der Führung des diktatorisch regierenden Machthabers Kim Jong-un bereits seit längerem Raketen und Artilleriegeschoße an Russland. Die nordkoreanische Außenministerin Choe Son-hui hat Moskau die Hilfe Pjöngjangs bis zum Sieg im Krieg gegen die Ukraine zugesichert. „Noch einmal versprechen wir, dass wir bis zum Tag des Sieges stets fest an der Seite unserer russischen Kameraden stehen werden“, sagte Choe bei einem Treffen mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. Letzterer hob dabei die enge Kooperation der Militärs und Sicherheitsorgane der beiden Länder hervor.
Bei einem russischen Raketenangriff auf eine Polizeistation in der ostukrainischen Großstadt Charkiw kam am Freitagabend nach offiziellen Angaben mindestens ein Mensch ums Leben. 26 Polizeibeamte sowie vier Zivilisten hätten bei dem Angriff teilweise lebensbedrohliche Verletzungen erlitten, teilte der regionale Militärverwalter Oleh Synjehubow auf der Plattform Telegram mit. „Die Ärzte kämpfen nun um ihr Leben.“
Nach ersten Ermittlungen war die Polizeidienststelle von mindestens zwei Raketen getroffen worden. Charkiw war in den vergangenen Monaten immer wieder Ziel russischer Luft- oder Raketenangriffe. Auch andere Städte der Ukraine werden ohne erkennbares Muster attackiert.
Kurz darauf wurde aus der ostukrainischen Stadt Sumy ein russischer Angriff mit Kampfdrohnen gemeldet. Eine dieser Drohnen habe ein mehrstöckiges Wohnhaus getroffen, berichteten die Behörden. Dabei seien fünf Menschen schwer verletzt worden, unter ihnen eine Schwangere.
Die USA stellen der Ukraine unterdessen zur Abwehr des russischen Angriffskriegs weitere Militärausrüstung zur Verfügung. Das neue Paket habe einen Umfang von rund 425 Millionen US-Dollar (rund 392 Millionen Euro), teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Es enthalte unter anderem Munition für Raketenwerfersysteme vom Typ HIMARS und für das Luftverteidigungssystem vom Typ NASAMS sowie Artilleriemunition mit den Kalibern 155 und 105 Millimeter. Nach Angaben des Pentagons haben die USA seit Kriegsbeginn militärische Hilfen im Umfang von mehr als 60,4 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt.
Der Ausgang der US-Präsidentenwahl in wenigen Tagen hat maßgeblichen Einfluss darauf, ob Kiew auch in Zukunft noch im großen Stil auf Unterstützung aus den USA hoffen kann oder nicht. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat gedroht, damit im Fall eines Wahlsieges nicht weiterzumachen.
Nach einem Bericht der „New York Times“, die sich auf US-Militär-und Geheimdienstquellen beruft, hat die Ukraine im bisherigen Verlauf des Krieges bereits 57.000 Gefallene beklagt. Dies entspreche knapp der Hälfte der Verluste der russischen Seite, sei jedoch für die kleinere Ukraine von großer Bedeutung. Angesichts der jüngsten Geländegewinne des russischen Militärs in der Ostukraine sei zudem eine bedrohliche Lage entstanden. Daher zweifelten US-Beobachter an der Fähigkeit der Ukrainer, das Vorrücken der russischen Truppen stoppen zu können.
Auch die „NYT“ sieht die wichtigste Entwicklung für Kiew „nicht auf dem Schlachtfeld, sondern an den Wahlurnen“ bei der US-Präsidentenwahl. Die unterschiedliche Ausgangslage bei Trump, der den Krieg schnell beenden wolle, während seine demokratische Gegnerin Kamala Harris die Ukraine weiter unterstützen wolle, laste „schwer auf den Ukrainern“.
US-Militärexperten sehen das aktuell größte Problem der Ukraine nicht bei Waffen und Munition. Vielmehr sei das größte Manko der Ukraine die Truppenstärke. Kiew habe zu lange gezögert, das Einberufungsalter von 25 Jahren zu senken, deshalb könnten dem Land die Truppen ausgehen. Daher schätze das Pentagon, so das Blatt weiter, dass die Ukraine noch für sechs bis zwölf Monate genügend Soldaten zur Verfügung habe.