Erneut UNO-Blauhelme im Libanon beschossen

Das israelische Militär hat am Freitag erneut einen Beobachtungsposten der UNO-Friedensmission UNIFIL bei deren Hauptquartier im südlibanesischen Naqoura beschossen. Dabei wurden Blauhelmsoldaten aus Sri Lanka verletzt. Mehrere Staaten, darunter Österreich, verurteilten den Beschuss. UNO-Generalsekretär António Guterres bezeichnete den Vorfall als „unerträglich“. Trotz der aktuellen Lage wollen die Friedenssicherungskräfte aber weiter vor Ort bleiben.

Die israelische Armee bestätigte den Vorfall und brachte ihr tiefstes Bedauern zum Ausdruck. Die Angelegenheit werde auf der höchsten Kommandoebene gründlich untersucht, teilten die Streitkräfte mit. Zugleich betonten sie, dass die Hisbollah in unmittelbarer Nähe von Blauhelm-Stellungen operiere und diese damit in erhebliche Gefahr bringe.

Die Soldaten der Beobachtermission seien verletzt worden, als es in der Nähe eines Beobachtungspostens in der Früh am Hauptquartier in Naqoura zu zwei Explosionen gekommen sei, teilte UNIFIL mit. Mehrere Schutzmauern seien zudem an einem UNO-Posten bei Labbouneh unweit der libanesisch-israelischen Grenze eingestürzt, als eine Planierraupe des israelischen Militärs diese erfasste und israelische Panzer sich dem Posten näherten. Es handle sich um eine „schwerwiegende Entwicklung“, so UNIFIL. Jeder vorsätzliche Angriff auf Friedenstruppen stelle einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die UNO-Resolution 1701 dar.

Die UNO-Blauhelme müssten beschützt werden, sagte Guterres am Rande eines ASEAN-Gipfels in Laos in Richtung Israel. Eine Eskalation des Nahost-Konflikts sei eine „ernste Gefahr für die globale Sicherheit“, es müsse alles dafür getan werden, um einen „totalen Krieg“ im Libanon zu vermeiden, forderte der UNO-Chef.

In dieser Woche wurden UNO-Kreisen zufolge vier Mal Stellungen der UNIFIL von israelischen Truppen beschossen und vier Blauhelm-Soldaten verletzt. Es waren die ersten Opfer in den Reihen der UNIFIL-Mission seit Beginn von Israels Bodenoffensive im Libanon gegen die pro-iranische Hisbollah-Miliz vor rund einer Woche.

Der amtierende libanesische Ministerpräsident Najib Mikati bezeichnete den jüngsten Angriff als „angekündigtes Verbrechen“. Er habe mit US-Außenminister Antony Blinken über die Bemühungen um eine Waffenruhe gesprochen. Blinken äußerte sich zwar besorgt über die Eskalation im Nahost-Konflikt, nahm aber nicht öffentlich zu den Angriffen auf die UNIFIL Stellung. Die USA sind der engste Verbündete Israels.

Israels Militär hatte am Donnerstag erklärt, es habe die UNIFIL-Soldaten in der Gegend von Naqoura angewiesen, sich an sichere Orte zu begeben. Dann habe man das Feuer eröffnet, denn Hisbollah-Kämpfer agierten auch in Gebieten, die bei UNIFIL-Stützpunkten lägen. Der UNO-Mission empfahl der israelische UNO-Botschafter Danny Danon eine Verlegung um fünf Kilometer nördlich. Damit könnten angesichts der sich intensivierenden Kämpfe „Gefahren vermieden werden“.

Die UNO-Beobachtermission überwacht das Grenzgebiet seit Jahrzehnten. Daran sind mehr als 10.000 UNO-Soldaten aus rund 50 Ländern beteiligt, darunter aktuell 175 Personen aus Österreich. Die Bundesheer-Soldatinnen und Soldaten waren von den Angriffen nicht betroffen. Sie sind vor allem für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und Fahrten von und nach Beirut verantwortlich. Diese wurden angesichts der aktuellen Situation schon vor einiger Zeit eingeschränkt, erklärte Bundesheersprecher Michael Bauer auf APA-Anfrage. Ein Abzug sei derzeit „kein Thema“ und stehe nicht im Raum, betonte er.

Die deutsche Bundeswehr reduzierte ihr Kontingent bereits in den vergangenen Wochen und Tagen und wolle es „kontinuierlich leicht abschmelzen lassen“, erklärte ein Sprecher. Den Beschuss verurteilte die Regierung in Berlin als „in keiner Weise akzeptabel und hinnehmbar“. Der Vorfall müsse genau aufgearbeitet werden.

Das Außenamt in Wien verurteilte den neuerlichen Beschuss am Freitag. Alle seien verpflichtet, die Sicherheit der UNO-Blauhelme zu jeder Zeit zu garantieren. Man habe diese Position den israelischen Partnern nochmals „sehr klar“ gemacht, hieß es auf „X“. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte sich am Donnerstagabend „extrem alarmiert“ gezeigt. „Das ist völlig inakzeptabel und muss sofort aufhören!“ Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Grünen-Chef Werner Kogler verurteilten den Angriff. Er sei „in keiner Weise zu rechtfertigen“, so Kogler in einer Stellungnahme für die APA. Es sei „unverzichtbar“, dass sofort Gespräche auf bilateraler sowie auf UNO-Ebene stattfinden, um die Angriffe zu beenden.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez forderte die internationale Gemeinschaft auf, keine Waffen mehr an Israel zu verkaufen. „Lassen Sie mich an dieser Stelle die Angriffe kritisieren und verurteilen, die die israelischen Streitkräfte auf die Mission der Vereinten Nationen im Libanon ausführen“, sagte Sánchez nach einem Treffen mit Papst Franziskus im Vatikan. Spanien hat sich angesichts der Eskalation des Nahost-Konflikts wiederholt kritisch gegenüber Israel geäußert.

Frankreich, das mit rund 700 Personen an der Mission beteiligt ist, verurteilte den Zwischenfall als „ernsten Verstoß gegen internationales Recht“ und zitierte den israelischen Botschafter ins Außenministerium. Die Angriffe müssten umgehend eingestellt werden.

Italiens Vizepremier und Außenminister Antonio Tajani erklärte, er erwarte eine Entschuldigung seitens Israel und eine Verurteilung für das, was passiert sei. „Israel kann sich militärisch verteidigen, es hat jedes Recht, auf den barbarischen Angriff vom 7. Oktober zu reagieren. Aber seine Operationen müssen zu jeder Zeit das internationale Recht, die Zivilisten und in diesem Fall die Kontingente der Vereinten Nationen respektieren“, sagte Tajani der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Freitagsausgabe). Italien stellt rund 1.200 Soldaten des UNIFIL-Kontingents.

Russland kritisierte den Beschuss ebenso wie die Türkei. „Die Angriffe Israels auf UN-Truppen im Anschluss an die Massaker an Zivilisten im Gazastreifen, im Westjordanland und im Libanon sind Ausdruck der Auffassung Israels, dass seine Verbrechen ungestraft bleiben“, erklärte das Außenministerium in Ankara. „Die internationale Gemeinschaft ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel das Völkerrecht einhält.“

Ungeachtet des Beschusses zeigten sich die UNIFIL-Truppen entschlossen, auf ihrem Posten zu bleiben. „Wir sind dort, weil der Sicherheitsrat uns darum gebeten hat“, sagte ihr Sprecher Andrea Tenenti. „Wir bleiben also, bis die Lage uns einen Einsatz unmöglich macht.“ Die Gefechte zwischen dem israelischen Militär und Hisbollah-Kämpfern im Südlibanon seien eines der gravierendsten Ereignisse der vergangenen zwölf Monate. Die UNIFIL-Truppen haben vom UNO-Sicherheitsrat das Mandat, der libanesischen Armee dabei zu helfen, den Süden des Landes von Waffen und bewaffneten, nicht staatlichen Gruppen frei zu halten. Das hat zu Spannungen mit der vom Iran unterstützten Hisbollah geführt, die das Gebiet de facto kontrolliert.

Tenenti sagte weiter, die Angriffe auf den Wachturm, die Kameras, die Kommunikationsausrüstung und die Beleuchtung des UNIFIL-Hauptquartiers hätten die Überwachungsmöglichkeiten der Blauhelm-Soldaten eingeschränkt. UNO-Insider befürchten nun, dass israelische Angriffe es unmöglich machen, Verstöße gegen das Völkerrecht in der Zone zu überwachen. Tenenti zufolge hat die Truppe noch immer wichtige Aufgaben zu erfüllen. „Sie muss lokale Nichtregierungsorganisationen und UNO-Organisationen dabei unterstützen, all diese Dörfer mit dringend benötigter Nahrung und Wasser zu versorgen. Tausende Menschen haben das Land verlassen, aber Tausende sitzen noch immer in der Gegend fest. Daher ist es sehr wichtig, Konflikte zu vermeiden.“

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