USA sehen Gespräche mit Syriens neuen Machthabern „positiv“

US-Diplomaten haben erstmals seit dem Umsturz in Syrien vor Ort Vertreter der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) getroffen und das Millionen-Kopfgeld auf deren Anführer aufgehoben. Man habe in Damaskus positive Gespräche geführt, sagte Barbara Leaf, die Nahost-zuständige Spitzendiplomatin im US-Außenministerium. Der Anführer der HTS, Ahmed al-Sharaa, habe zugestimmt, dass Terrorgruppen weder innerhalb Syriens noch nach außen eine Bedrohung darstellen dürften.

Die HTS hat nach dem Sturz von Staatschef Baschar al-Assad Anfang Dezember die Macht in dem Land übernommen. Jetzt hätten die Syrer die Chance, „eine neue, freiere und integrative Gesellschaft zu schaffen, die sowohl in der Region als auch auf der Weltbühne ihren rechtmäßigen Platz einnimmt“, sagte Leaf. Die USA wollten mit dem syrischen Volk zusammenarbeiten, „um diese historische Chance zu ergreifen“.

Kopfgeld auf Chef der HTS-Miliz aufgehoben

Die USA hatten vor einigen Jahren ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen US-Dollar auf al-Shaara ausgelobt, der bis vor kurzem unter seinem Kampfnamen Mohammed al-Dschulani aufgetreten war. Auf Grundlage ihres Gesprächs habe sie ihm gesagt, dass die USA das Kopfgeld auf ihn jetzt „nicht weiterverfolgen würden“, sagte Leaf im Anschluss an das Treffen. Al-Shaaras HTS wird von den USA und der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft.

HTS-Anführer al-Sharaa gab sich zuletzt moderat und hatte ein Syrien für alle versprochen. Nach dem Treffen mit der US-Delegation versicherten Syriens neue Machthaber, man wolle zu einem „regionalen Frieden“ beitragen. „Die syrische Seite wies darauf hin, dass das syrische Volk in gleicher Distanz zu allen Ländern und Parteien in der Region steht und dass Syrien jede Polarisierung ablehnt“, erklärten die neuen Behörden am Freitagabend nach dem Treffen al-Sharaas mit der US-Delegation. Die neuen syrischen Behörden wollten „die Rolle Syriens bei der Förderung des regionalen Friedens und beim Aufbau privilegierter strategischer Partnerschaften mit Ländern in der Region bekräftigen“, hieß es weiter.

Diplomaten begrüßen „positive Botschaften“ der neuen Machthaber

US-Diplomatin Leaf erklärte nach der Unterredung in Damaskus: „Wir unterstützen uneingeschränkt einen politischen Prozess unter syrischer Führung und in syrischer Verantwortung, der zu einer inklusiven und repräsentativen Regierung führt, die die Rechte aller Syrer, einschließlich der Frauen und der verschiedenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften Syriens, achtet“. Man begrüße „die positiven Botschaften“ ihrer Gesprächspartner. Es müssten nun Taten „und nicht nur Worte“ folgen, hieß es.

Es war laut Leaf der erste Besuch von US-Diplomaten in Syrien seit 2012, als die USA nach Beginn des Bürgerkriegs im Jahr zuvor die diplomatischen Beziehungen zu dem Land Syrien abgebrochen hatten. Neben Leaf nahmen auch der US-Sondergesandte für Geiselnahmen, Roger Carstens, und der US-Sondergesandte für Syrien, Daniel Rubinstein, an den Gesprächen mit Vertretern der Islamistengruppe HTS teil. Washington hatte bereits vorher Kontakt zur HTS, ringt jedoch um den Umgang mit der Islamistengruppe.

Beim Besuch der US-Diplomaten ging es auch um vermisste US-Bürger wie den Journalisten Austin Tice. Dieser war 2012 in Syrien verschleppt worden. Carstens sagte, man habe in Damaskus viele Informationen über Tice erhalten, aber keine habe bisher sein Schicksal auf die eine oder andere Weise bestätigt.

Aktivisten: Schwere Kämpfe bei Kobane in Nordsyrien

Im Norden Syriens gehen unterdessen laut Aktivisten die schweren Gefechte zwischen protürkischen Kräften und Kurdenmilizen weiter. Besonders um die Stadt Kobane unweit der Grenze zur Türkei gebe es heftige Zusammenstöße, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Kämpfer der von der Türkei unterstützen Syrischen Nationalen Armee (SNA) und Verbündete versuchten, Kobane unter ihre Kontrolle zu bringen, hieß es.

Im Kampf mit den kurdisch angeführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) seien auch türkische Drohnen im Einsatz gewesen. Die SDF bestätigten die Kämpfe. Auch in der Gegend um Rakka gab es nach Angaben der Beobachtungsstelle türkische Drohnenangriffe. Es solle dabei Opfer gegeben haben.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte die Türkei vor einer Eskalation der Auseinandersetzung um die Kurdengebiete. „Die Sicherheit gerade auch von Kurdinnen und Kurden ist essenziell für eine freie und sichere Zukunft Syriens“, sagte die Grünen-Politikerin nach Gesprächen mit ihrem türkischen Kollegen Hakan Fidan und Geheimdienstchef Ibrahim Kalin in Ankara. Sie fügte hinzu: „Es war gut zu hören, dass dies auch der türkische Außenminister so sieht.“

Der Türkei wird vorgeworfen, die Lage in Syrien nutzen zu wollen, um die unter Verwaltung kurdischer Milizen stehenden Gebiete im Norden zu zerschlagen. Die Kurden und die SDF werden von den Vereinigten Staaten unterstützt. Während die SDF für die USA ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien sind, sieht die Türkei die Miliz als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – und damit als Terrororganisation.

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