Wiener Ramadan-Eklat: Türkischer Botschafter lästert über Christen
Ceyhun pries muslimische Wohltätigkeit, bekritelt „egoistische Christen, die zu Weihnachten nichts schenken“ — und fühlt sich missverstanden
Online seit:Eklat nach einer Ramadan-Feier Erdogan-naher Vereine in Wien, bei der vorigen Sonntag coronabedingte Abstands-, nicht aber alle Anstandsregeln eingehalten worden sein dürften: In einem dem VOLKSBLATT zugespielten Video von der Veranstaltung ist der türkische Botschafter Ozan Ceyhun mit abfälligen Äußerungen über Christen zu hören. Ein türkischer Abgeordneter soll zudem die islamistische Muslimbruderschaft gewürdigt haben.
Anlass für das Event im Wonder-Institut im 16. Bezirk waren Hilfsaktionen der türkischen Organisation Wefa („Weltweiter Einsatz für Arme“) und der Internationalen Demokratische Union (UID), allesamt Gruppierungen im Dunstkreis der AK-Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Ceyhun und UID-Präsident Mahmut Koc verteilten Lebensmittel und 200-Euro-Gutscheine an bedürftige türkische Imam-Hatip-Studenten.
„Christen machen nicht, was wir hier tun“
Österreichs Christen schenkte Ceyhun Unfreundlichkeiten. „Schauen Sie, Sie leben in diesem Moment hier (in Österreich, Anm.)“, sagt er zum türkischen Publikum, „die machen keine derartigen Veranstaltungen wie wir hier.
Zum Beispiel zu Weihnachten — und ich sage das Wort Weihnachten bewusst in deutscher Sprache, damit Sie verstehen, was ich meine. Die (Christen, Anm.) gehen in egoistischer Manier, ziehen sich in ihre vier Wände zurück und verteilen keine Geschenke, wie wir das tun.“
Obwohl der Botschafter jahrelang in Deutschland gelebt hat, erst EU-Abgeordneter für die Grünen, dann für die SPD war, ehe er zum glühenden Erdogan-Fan mutierte, scheint Ceyhun die weihnachtliche Kultur des Schenkens entgangen zu sein.
Loblied auf Muslimbrüder
In einem Punkt hatte er aber recht. Christen machen aus einem Glaubensfest tatsächlich kein Politevent wie jenes im Wonder-Institut, das der von Erdogan-Sohn Bilal geführten Türgev-Stiftung zugeordnet wird. Dementsprechend lieferte Ceyhun Loppreisungen auf Erdogan und die Stärke der Türkei.
Auch der Muslimbruderschaft wurde gehuldigt: Der per Video zugeschaltete AKP-Abgeordnete Zafer Sarikaya würdigt namentlich Hassan al-Banna, der 1928 die Muslimbruderschaft gegründet und die ideologische Basis für den heutigen Terror-Dschihad gelegt hat.
„Die größte Munition sind die muslimischen Brüder, welche einander in Brüderlichkeit verbunden sind“, sagte Sarikaya von der Videowand im Wonder-Saal.
Gegenüber dem VOLKSBLATT äußerte Ceyhun gestern „meine Empörung und Enttäuschung darüber, dass unsere guten Absichten und Botschaften falsch gedeutet und dargestellt werden“. Obwohl zwei Muttersprachler seine Aussagen übersetzt haben, bestreitet der Diplomat, sie so getätigt zu haben.
„Wenn ich von Personen bzw. ihrem Verhalten zur Weihnachtszeit gesprochen habe, dann war damit die große Masse gemeint, die in der heutigen Konsumgesellschaft Weihnachten als eine rein weltliche Privatveranstaltung auffasst, um sich selbst zu beschenken“. Er habe damit nicht die Christen kritisiert.
Am Mittwoch wird Ceyhun auch im Integrationsministerium Gelegenheit für Erklärungen haben. Ministerin Susanne Raab (ÖVP) hat ihn eingeladen, wobei ihr Sprecher ausdrücklich betont, dass „es keine Vorladung ist“.
Von Manfred Maurer
Hier die dem VOLKSBLATT von Botschafter Ozan Ceyhun übermittelte Stellungnahme im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Maurer,
zunächst bedanke ich mich dafür, dass Sie für eine Klarstellung meine Stellungnahme ersucht haben.
Gleich am Anfang, um weitere Missverständnisse von vornherein auszuräumen, möchte ich mit aller Deutlichkeit klarstellen, dass ich während meines ganzen Redebeitrags nicht ein einziges Mal eine Aussage über Anhänger eines bestimmten Glaubens, seien es nun Christen oder Muslime, getroffen habe.
Wenn ich in diesem Zusammenhang von Personen bzw. ihrem Verhalten zur Weihnachtszeit gesprochen habe, dann war damit die große Masse gemeint, die in der heutigen Konsumgesellschaft Weinachten als eine rein weltliche Privatveranstaltung auffasst, um sich selbst zu beschenken. In diesem Kontext habe ich bewusst nicht das Wort „egoistisch“ (im Türkischen „egoist“) benutzt, sondern die „Ichbezogenheit“ (im Türkischen „bencil“) der Menschen hervorgehoben.
Wenn ich also in meinem Redebeitrag etwas kritisiert habe, dann, dass wertvolle Traditionen in Vergessenheit geraten bzw. ihrer ursprünglichen Bedeutung entfremdet werden. Das sage nicht nur ich. Diese und ähnliche Sätze habe ich von vielen gläubigen Freunden (Christen wie auch Muslime) schon mal hören müssen.
Sie kennen mich heute als türkischen Botschafter. Seit fast 40 Jahren habe ich in Europa, vorwiegend in Deutschland, in einem mehrheitlich christlich geprägten Umfeld gelebt. Als Europaabgeordneter habe ich zur Weihnachtszeit Stollen an Menschen verteilt, welche die Feiertage im Krankenhaus verbringen oder auf der Polizeistation Dienst schieben mussten.
Ich weiß, was Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und Solidarität bedeuten. Genau dieses Gefühl des sozialen Miteinanders wollte ich jungen Schülern während meiner Rede bei der Wohltätigkeitsveranstaltung der Bildungseinrichtung Wonder, die während der Corona-Krise zahlreichen bedürftigen Menschen in Österreich mit Essenpaketen geholfen hat, vermitteln. Es ist wichtig, dass bestimmte soziale Werte als Stütze unserer Gesellschaft hochgehalten und bewahrt werden. Das sind wir nicht zuletzt unseren gläubigen Mitmenschen schuldig, sondern vor allem uns selbst.
Umso größer ist meine Empörung und Enttäuschung darüber, dass unsere guten Absichten und Botschaften in der Öffentlichkeit falsch gedeutet und dargestellt werden.
Abschließend möchte ich betonen, dass unser Ziel das zwischenmenschliche Miteinander ist. Unser Weg ist immer der des Dialogs. Ich hoffe, dass unsere österreichischen Freunde das richtig verstehen und uns bei unserem Vorhaben mit Wort und Tat unterstützen.“