Babler-Genosse kämpft für Umsturz in Österreich

Ko-Autor des Stalinismus-Huldigungsbuches führt Partei, die Lenins Oktoberrevolution als Vorbild hat

Andreas Bablers Stalin-Gate schlägt nicht gerade hohe Wellen. Der politische Mitbewerb hält sich vornehm zurück. Auch die investigative Journaille scheint von plötzlicher Beißhemmung befallen. Noch gibt es aber das VOLKSBLATT, das genau hinschaut. Der SPÖ-Chef wird sich erklären müssen, wie er es mit Genossen hält, die an einem Umsturz in Österreich arbeiten…

Nur kurz währte die ohnehin nicht allzu große Aufregung um Bablers Mitautorenschaft an dem 2005 erschienen Buch „Stamokap heute — Vom gegenwärtigen Kapitalismus zur sozialistischen Zukunft“.

Es musste ihm damals sehr wichtig gewesen sein, sprach er doch bei der Präsentation des Werkes im Wiener „Salon Uhudla“ die Begrüßungs- und Einführungsworte. Als einer der Köpfe der Stamokap-Strömung in der Sozialistischen Jugend (SJÖ) war er auch prädestiniert für ein solches Elaborat, das viel früher und viel größeres Aufsehen verursacht hätte, wäre Vergleichbares aus dem rechten Eck gekommen.

„Stamokap heute“, das Buch, in dem unter Beteiligung Andreas Bablers Stalin-Verbrechen schöngeschrieben wurden.

Aber da in „Stamokap heute“ nicht etwa behauptet wird, dass unter Hitler nicht alles schlecht gewesen sei, sondern bloß dessem Teufelspakt-Komplizen Stalin ein würdiges Andenken bewahrt wird, hat es ein bisschen gedauert, bis dem Ko-Autor Babler daraus ein kleines Problem erwuchs, welches allerdings bislang bis auf seinen Möchtegern-Nachfolger Rudolf Fußi niemand an die große Glocke hängen will.

Das ist einerseits verwunderlich angesichts der haarsträubenden Inhalte, andererseits aber auch wieder nicht angesichts der etwas einseitig ausgerichteten Sensibilität des österreichischen Extremismussradars und einer präkoalitionären Unlust zum Konflikt auf Nebenschauplätzen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die meisten Stalin-Verbrechen hierzulande zumindest direkt keine Opfer gefordert haben. Zum Beispiel die sogenannte Entkulakisierung, also die Enteignung und Zwangsumsiedelung bäuerlicher Familien in der Sowjetunion Anfang der 1930er Jahre. Diese Zwangskollektivierung, sprich: Zerstörung der Landwirtschaft hatte eine epochale Hungerkatastrophe mit Millionen Toten zur Folge.

Stalins Hungerterror war sozialistische Notwendigkeit

Was lehrt uns das vom heutigen SPÖ-Chef mitverfasste Buch darüber? Die Entkulakisierung wird dort euphemistisch „als beschleunigte sozialistische Umwandlung in der Landwirtschaft“ beschrieben. Und: „Es liegt auf der Hand, dass dies mit Zwangsmaßnahmen gegenüber den zuvor noch geduldeten nichtsozialistischen Elementen, d.h. gegenüber den größeren GrundbesitzerInnen, verknüpft sein muss; das hat jedoch nichts mit staatlicher Willkür zu tun, sondern mit der Etablierung sozialistischer Klassenverhältnisse auf Basis sozialistischer Produktionsbedingungen“. Seitens der KPdSU seien damals „wohl grundsätzlich richtige Entscheidungen getroffen worden“.

Und Stalin im Besonderen habe, so steht es in dem bei Thalia für 20,90 Euro angebotenen Buch, in vielen Dingen „recht gehabt“.

Solche Zitate aus einem vom heutigen SPÖ-Chef mitverfassten und präsentierten Pamphlet generierten jedoch bislang keinen investigativen Impuls in einer Medienlandschaft, die ansonsten jedes Skandalgraserl wachsen hört. So hätte es sich zum Beispiel aufgedrängt, genauer hinzuschauen mit wem Babler dieses Machwerk verbrochen hat. Unter den acht Mitautoren befindet sich etwa Tibor Zenker, mit dem Babler mehr als nur die gemeinsame Autorenschaft verband. Man repräsentierte gemeinsam den Stamokap-Flügel der SJÖ. 2019 beteiligten sich beide an einer Rosa-Luxemburg-Konferenz in Wien. Zenker hielt einen Vortrag über den „Imperialismus der EU“, die Babler kurz darauf in völliger Negierung der Realität als das „aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat“, bezeichnete.

Der Autor und Politikwissenschaftler Zenker ist Sohn des 2003 verstorbenen Kottan-Autors Helmut Zenker — und seit 2019 Vorsitzender der „Partei der Arbeit“(PdA), in deren Weltsicht selbst die KPÖ nur ein konterrevolutionäres Projekt ist.

Hauptziel sozialistische Revolution in Österreich

Das Parteiprogramm hat es in sich: „Die Strategie der PdA ist auf das Hauptziel der sozialistischen Revolution und des Aufbaus des Sozialismus in Österreich gerichtet“, heißt es im Artikel 14 PdA-Gründungs- und Grundsatzerklärung. Und damit keine Missverständnisse aufkommen, wird dieses Hauptziel klar umrissen: „Dieses ist nicht zu ersetzen durch eine ‚soziale Demokratie‘, eine ‚solidarische Gesellschaft‘, eine ‚soziale Marktwirtschaft‘ oder dergleichen, denn diese verbleiben entweder im Rahmen des Kapitalismus oder stellen einen Widerspruch in sich dar.“ Abschließend offenbart diese Grundsatzerklärung unverhohlen das revolutionäre Mittel zum Zweck: „Die PdA verschmäht es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklärt mit ihren hier dargelegten Grundsätzen offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“

Kommunismus-Zerfall 1989 war eine Niederlage

2019 hatte der PdA-Chef in einer — von der Linzer SPÖ ausdrücklich gebilligten — Veranstaltung mit dem früheren DDR-Vizegeneralstaatsanwalt Hans Bauer die ostdeutsche Diktatur als „die beste Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung“ bezeichnet und diese Ansicht vertreten: „Der schlechteste Sozialismus ist besser als der beste Kapitalismus.“ Den Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa 1989 wertet die Partei des Babler-Genossen als „Niederlage“ und die Entwicklung seither als „Konterrevolution“.

Bei soviel Sowjet-Begeisterung war es nur konsequent, im vergangenen Jahr die Eröffnung des „Politischen Zentrums Jura Soyfer“ in Wien-Erdberg auf den 22. April zu terminisieren. Für Zenker ein „historischer Tag“, wie er in der Eröffnungsrede kundtat: „Nein, nicht wegen dieser Eröffnungsfeier, sondern weil wir den 22. April haben – das bedeutet: Vor genau 153 Jahren, am 22. April 1870, wurde ein gewisser Wladimir Iljitsch Uljanow geboren, besser bekannt als Lenin.“

Im vergangenen Monat feierte die PdA den Jahrestag der „Großen Oktoberrevolution“ mit der Feststellung, diese sei ein „Vorbild“ und „eine Quelle der Inspiration für die neuen Generationen von Kommunistinnen und Kommunisten in ganz Europa“.

Strafrechtlich kein Problem…

Wer Österreich mit soviel sowjetsozialistischer Verve einen noch dazu schriftlich erklärten Umsturz nach dem Muster des Lenin-Putsches von 1917 bescheren möchte, müsste eigentlich Probleme mit den Behörden bekommen. Denkt man.

Schließlich wurden auch rechte Umsturzfantasten wie Reichsbürger oder Staatenbündler strafrechtlich verfolgt und zum Teil auch verurteilt. Eine Handhabe bot dabei Paragraf 247a StGB, der in Absatz 1 bestimmt: „Wer eine staatsfeindliche Bewegung gründet oder sich in einer solchen führend betätigt, ist, wenn er oder ein anderer Teilnehmer eine ernstzunehmende Handlung ausgeführt oder zu ihr beigetragen hat, in der sich die staatsfeindliche Ausrichtung eindeutig manifestiert, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“

Doch die PdA-Satzung reicht offenbar nicht aus für eine Aktivierung staatlicher Abwehrmechanismen. Schon im November 2019 hatte das VOLKSBLATT aus Anlass des DDR-Nostalgieevents das Innenministerium um eine Einschätzung der PdA gebeten. „Die Partei der Arbeit ist dem Staatsschutzbehörden bekannt. Es handelt sich um eine marxistisch-leninistisch ausgerichtete Partei, die im Februar 2013 gegründet und registriert wurde. Die Partei vertritt ein radikales Weltbild, es liegen jedoch keine Erkenntnisse zu strafrechtsrelevanten Bezügen vor“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Damals war gerade Wolfgang Peschorn Innenminister, also ein Mitglied der Übergangsregierung von Brigitte Bierlein, die sich auf die Verwaltung der Krise konzentrierte und heikle politische Themen möglichst ausklammerte. Vier Jahre später war die Einschätzung nach einer neuerlichen VOLKSBLATT-Anfrage jedoch unverändert. „Die in der vergangenen Anfrage beauskunfteten Informationen zur Partei der Arbeit sind weiterhin in dieser Form gültig“, teilte ein Sprecher von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nach Rücksprache mit der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) mit. Konsequenterweise findet die PdA im aktuellen DSN-Jahresbericht keine Erwähnung.

Mediales und behördliches Desinteresse am linken Umsturztraum scheinen sich zu ergänzen. Auch die Stadt Linz berief sich 2019 bei der Genehmigung des DDR-nostalgischen PdA-Abends im Volkshaus Pichling auf eine Unbedenklichkeitserklärung des Verfassungsschutzes.

Kommt Babler um eine Entschuldigung herum?

Die Chancen, dass Babler ohne großes Tamtam aus seiner Stalinismus-Nummer rauskommt, stehen also gut. Auch der ehemalige KPÖ-Wähler Alexander van der Bellen wird im Falle einer SPÖ-Regierungsbeteiligung wohl keine Präambel zum Koalitionsvertrag einfordern, in der sicherheitshalber jeglichen realsozialistischen Hirngespinsten eine Absage erteilt wird. Linker Extremismus gilt hierzulande als lässliche Sünde und gehört in jungsozialistischen Kreisen sowieso irgendwie zum guten Ton.

Entschuldigung bei Stalin-Opfern?

Doch auch wenn Babler in den Augen seines Stamokap-Freundes inzwischen selbst das Kainsmal des konterrevolutionären Abweichlers tragen dürfte, sollte man den SPÖ-Vorsitzenden nicht so einfach davonkommen lassen. Eine Entschuldigung für seine stalinistische Entgleisung ist er den Opfern des Sowjet-Diktators schuldig. Es waren auch ein paar Österreicher und Sozialdemokraten darunter…

Analyse von Manfred Maurer

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