DSN gibt Details zu Terrorplänen aus Handyauswertung bekannt

Haijawi-Pirchner: "Wissen jetzt auch, um welches Konzert es gegangen wäre"

Drei Wochen nach dem mutmaßlich vereitelten Anschlag auf ein Konzert von Taylor Swift in Wien hat DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner in der ZiB2 am Dienstag erste Details aus den Handyauswertungen des hauptverdächtigen 19-Jährigen bekannt gegeben.

So wissen die Staatsschützer mittlerweile, welches der drei Konzerte das erklärte Ziel war. Über 800 selbstlöschende Nachrichten konnten jedoch nicht wiederhergestellt werden, warb er erneut für die Überwachung von Messengerdiensten.

Informationen, die man nun im Nachhinein durch die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons bekommen habe – wie etwa um welche Sprengstoffe es sich handelte, welche chemischen Substanzen verwendet wurden und wer zum angeblichen Netzwerk des mutmaßlichen Attentäters gehöre – hätte man mit der Möglichkeit der Messengerüberwachung frühzeitig gehabt, sobald man wusste, dass „er (gemeint: der Hauptverdächtige, Anm.) gefährlich ist“.

Auch den Inhalt der 870 selbstlöschenden Nachrichten, die nun nicht mehr herzustellen sind, hätte man gekannt, wenn man „mitlesen“ hätte dürfen, warb Haijawi-Pirchner einmal mehr für mehr Kompetenzen der DSN.

Kritisch zu den Ausführungen des DSN-Chefs äußerte sich Werner Tomanek, der Verteidiger des 19-Jährigen. Haijawi-Pirchner habe sich über mutmaßliche Chat-Inhalte geäußert, die bisher noch nicht Bestandteil des ihm zugänglichen Gerichtsakts seien, sagte Tomanek. Er habe mittlerweile beantragt, „dass auch diese Aktenteile für die Verteidigung freigeschaltet werden“.

Im Gespräch mit der APA bekräftigte Tomanek einmal mehr, dass nach seinem Dafürhalten die beim 19-Jährigen sichergestellten Ingredienzen für den Bau einer Bombe bzw. Sprengvorrichtung gar nicht geeignet gewesen wären: „Zwölfprozentiges Wasserstoffperoxid gibt es in jedem Drogeriemarkt, für jeden frei erhältlich, sechsprozentige schwefelige Säure kriegt jeder zum Abflussreinigen und Nagellackentferner hat der Bipa.“

Er habe daher „ganz erhebliche Zweifel an der Stichhaltigkeit der Ermittlungen und den daraus gezogenen Schlüssen“, meinte Tomanek. Er werde „Privatermittlungen zur Evaluierung des ganzen Akts in Auftrag geben“, kündigte der Verteidiger an.

Was seinen Mandanten betrifft, sitze dieser „in Einzelhaft“, sagte Tomanek. Bis vor wenigen Tagen sei diesem verwehrt worden, sich zu rasieren, weil justizintern diskutiert worden sei, „ob er sein Erscheinungsbild verändern darf“.

Er habe jetzt unter Verweis auf das Strafvollzugsgesetz eine Eingabe an die Justizanstalt gemacht, dem 19-Jährigen zu gestatten, sich seinen Bart abzurasieren, berichtete Tomanek. Dieser wolle äußerlich nicht mehr „wie ein typischer Islamist“ wirken: „Er hat sich von dem allem (gemeint: dem Gedankengut des IS, Anm.) abgewandt. Er will reinen Tisch machen.“

Zuvor war Haijawi-Pirchner in der ZiB2 Vorbehalten begegnet, man würde mit einem vorliegenden ÖVP-Gesetzesentwurf der DSN, in deren Vorgängerbehörde jahrelang russische Doppelagenten an führender Stelle tätig waren, mehr Überwachungsmöglichkeiten geben.

Das sei notwendig, „ganz einfach deswegen, weil die Bedrohungsbilder oder die Bedrohungslage das heute erforderlich macht. Wir in Österreich sind das einzige Land in ganz Europa, das diese Möglichkeit derzeit nicht hat“. Er schätzt, dass es rund zehn bis 20 Fälle pro Jahr wären, in denen diese Maßnahme sinnvoll wäre.

In dem Fall des Ternitzer Verdächtigen habe man mittlerweile Chats sichergestellt, die darauf hindeuten würden, „dass es in tieferliegenden Chats Absprachen gab zu Waffenkäufen. Dass versucht wurde, hier an Waffen zu kommen, und diese Chats kann man nur dann überwachen, wenn uns diese Messengerüberwachung ermöglicht wird.“

Man wisse mittlerweile auch, um welches der Swift-Konzerte es gegangen sei, sagte Haijawi Pirchner, wollte auf Nachfrage aber nicht den konkreten Termin nennen. „Aber man kann definitiv derzeit mit dem Stand und den sichergestellten Dingen (…) sagen, dass wir einen Terroranschlag verhindert haben, der sicher größeren Ausmaßes gewesen wäre.“

Während Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Mittwoch in einer Stellungnahme einmal mehr den Willen der ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer betonte, „mehr und gezielte Ermittlungsmöglichkeiten im Kampf gegen Terrorismus“ zu ermöglichen, warnte die FPÖ erneut vor der geplanten Messenger-Überwachung.

Der Gesetzesentwurf ist gerade in Begutachtung, die Frist endet erst am 25. September und damit kurz vor der Nationalratswahl. „Wenn unsere Grenzen für illegale Einwanderer geschlossen wären und islamistische Gefährder im Remigrationsflieger säßen, dann würde man sie nicht überwachen müssen“, so Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer, der per Aussendung vor einer „Bespitzelung á la schwarzer Stasi“ warnte.

Für Ministerin Edtstadler schützt die FPÖ mit ihrer Haltung indes Terroristen und Kriminelle. „Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern stellt auch eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.“ Während der jüngsten schwarz-blauen Koalition (2017-2019) hatte die FPÖ eine Messengerüberwachung noch befürwortet, die geplante Überwachung von Computersystemen per „Bundestrojaner“ war vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aber noch vor Inkrafttreten gekippt worden. Nach „negativen Erfahrungen“ in der Corona-Pandemie wurde die FPÖ laut Parteichef Herbert Kickl allerdings „geläutert“.

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