VOLKSBLATT: Ihr neues Buch heißt „Momentaufnahmen“ — gerade als Theologe hat man doch eher die Ewigkeit im Auge?
P. BERNHARD ECKERSTORFER: Gerade wir Mönche versuchen, die Ewigkeit ins Diesseits zu holen. Und gerade die Klöster leben sehr im Heute, sie sind wirtschaftlich und seelsorgerisch verflochten. Wenn man geistlich leben will, dann ist der Moment das Um und Auf. Lebe ich im Moment, also jetzt und nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Der Schlüssel für ein geistliches Leben ist es, im Moment zu leben — und jeder Moment ist wichtig.
Gibt es bzw. was ist für Sie der Unterschied zwischen einer Momentaufnahme und einem Schnappschuss?
Für mich hat eine Momentaufnahme eine Botschaft, ein Schnappschuss ist zufällig. Momente entstehen, wenn man staunen kann und man zulässt, dass einem Gott berührt. Oft bemerkt man es im Moment gar nicht, sondern rückblickend: Wie die Emmausjünger, die erst im Nachhinein draufkommen, dass Jesus mit ihnen unterwegs war.
Sie erzählen darin viel von Ihren Erfahrungen als Lehrer und über das Leben im Kloster, beides Berufe, wo es derzeit Nachwuchsmangel gibt. War das auch eine Motivation für das Buch?
Die Idee kam vom Tyrolia-Verlag, aber ich sehe es als meine Aufgabe als Priester und Theologe, Gott auf allen verschiedenen Ebenen zur Sprache zu bringen. Auch um andere zum Nachdenken zu bringen. Und vermutlich können mit so einer Geschichte viele mehr anfangen, wie mit einem Artikel in einer theologischen Fachzeitschrift.
Sie waren vor Kurzem am Weltjugendtag in Lissabon – konnten Sie da auch wieder Momentaufnahmen machen?
Da hat es viele Dinge gegeben.
Die Kirche ist in einer Umbruchphase, sowohl lokal als global. In OÖ versucht man es derzeit mit neuer Pfarrstruktur und einem Zukunftsweg. Wie bewerten Sie diese Entwicklung — als involvierter Beobachter aus der Ferne?
Mit Interesse. Die ganze religiöse Landschaft ist im Umbruch. Aber ich habe viel Optimismus, denn ich sehe, dass Sinnfragen, dass Gott eine große Rolle spielt. Institutionell ändert sich etwas und ich glaube, dass es wichtig ist, dass man mutig vorangeht und nicht polarisiert. Ich glaube, es ist gefährlich, wenn Leute einfache Antworten haben. Und es geht darum, dass wir Formen finden, wo Gott erlebbar wird.
Auf globaler Ebene hat der Papst gerade die Bischofssynode eröffnet. Welche Erwartungen haben Sie?
Dass Kirche verstärkt Gottes Reich verkündet und erfahrbar macht. Es zeigt sich, dass Kirche unterwegs ist mit den Menschen und im Heute ankommen muss. Ich war bei der Eröffnungsmesse am Petersplatz und da hat Papst Franziskus klar gemacht, dass es um eine Glaubensvertiefung geht. Eine Polarisierung wäre gefährlich. Die eigentliche Kirchenreform besteht darin, Gott wieder ins Zentrum zu rücken.
Trotzdem geht um auch um Konkretes. Stichwort: Frauendiakonat?
Wir als Deutschsprachige erwarten immer konkrete Ergebnisse. Der Papst als Südamerikaner und weite Teile der Weltkirche erleben einen fruchtbaren Gesprächsprozess. Es wäre gefährlich, zu hohe Erwartungen zu haben und Ergebnisse zu fordern. Der Papst warnt davor, dass man eigene Interessen durchboxt. Lassen wir uns vom Geist Gottes überraschen.
Und Ämterwahl?
Die Kirche hat eine große Erfahrung mit der Mitsprache, mit dem synodalen Weg. Aber ich glaube, es wäre nicht angemessen, wenn wir unsere säkularen Mittel 1:1 auf die Kirche übertragen. Kirche darf nicht elitär werden, sondern dem Papst geht es sehr darum, darauf zu hören, was den einfachen Menschen wichtig ist. Außerdem ist es letztlich eine große Errungenschaft, dass der Papst frei die Bischöfe ernennt. Das schafft Einheit. Die katholische Kirche ist die einzige religiöse Institution, die weltumspannend eins ist, wenn sie feiert — etwa beim Weltjugendtag; eins ist, was sie glaubt; und eins ist, wen sie als ihr Oberhaupt anerkennt. Diese Einheit ist ein hohes Gut und es ist daher wichtig, dass der Papst eine zentrale Rolle spielt.
Zumindest im Vorfeld gab es bereits einige Irritationen — wie einig ist die katholische Kirche wirklich?
Wir müssen die Einheit dort sehen, wo der Glaube gelebt wird: in der Liturgie. Bis ins letzte Nest Österreichs, Nigerias oder Myanmar ist die Einheit und wird gemeinsam gefeiert. Wenn die Kirche allzu politisch wird und Interessensvertreter für gewisse Anliegen wird — innerkirchlich oder außerkirchlich —, dann besteht die Gefahr, dass die Kirche polarisierend wahrgenommen wird und sich nur mit sich selbst beschäftigt. Und wir im deutschen Sprachraum müssen lernen, dass wir nicht mehr der Nabel der Welt sind. Bei der Synode ist Deutsch nicht einmal mehr eine offizielle Sprache … Wir haben ja viele internationale Studenten aus afrikanischen und asiatischen Diözesen und die junge Kirche, wie ich sie erlebe, ist im Aufbruch. Von ihnen können wir lernen, was es heißt, intensiv zu leben und wir können ihnen Erfahrungswerte von einer Kirche geben, die strukturell bis ins Letzte organisiert ist. Und es fällt uns schwer, aber wir müssen auch lernen, wieder loszulassen.
Sie werden vermutlich in Kürze wieder nach Rom fahren. Was geht Ihnen in am meisten ab?
Das österreichische Essen schätze ich erst so richtig, seit ich im Ausland bin. Und wir sollten hoch schätzen, was und wie in Österreich alles funktioniert. Viele unserer Studenten kommen aus Ländern, wo es Krieg gibt oder Kirchen niedergebrannt werden. Und auch das Klima: Der Winter in Rom ist eigentlich nicht schön.
Mit Rektor Pater BERNHARD ECKERSTORFER sprach Herbert Schicho