Qualität vor Tempo

Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie der ÖVP, erstellt derzeit das ÖVP-Zukunftsprogramm „Österreich 2030“

VOLKSBLATT: In den vergangenen Jahren war Politik mehr Feuerwehr und Krisenmanager als Zukunftsgestalter. Wie sinnvoll ist es da ein Zukunftsprogramm zu erstellen?

RAUSCH: Ja, in den vergangenen Jahren haben uns Krisen gebeutelt und das Leben der Menschen bestimmt. Und es schaut vielleicht so aus, dass neben Corona, Ukraine-Krieg und Teuerung kein Platz für etwas anderes ist. Aber die Politik muss den Blick nach vorne richten – natürlich auch mit den Erfahrungen aus den Krisen.

Konkret: Wie weit sind Sie? Welche Pflöcke wurden bereits eingeschlagen?

Der Prozess hat mehrere Phasen. Wir haben begonnen in Expertenrunden – nicht öffentlich – die Themen zu erörtern. 30 solcher Treffen mit Wissenschaftlern und Praktikern haben bereits stattgefunden. Und derzeit sind wir mittendrin Zukunftsraum-Dialoge abzuhalten. Bei diesen etwa vierstündigen Workshops mit Experten, Abgeordneten und Regierungsmitgliedern werden die ersten Vorschläge mal abgeklopft – auch auf Machbarkeit. Zwei diese Dialoge gab es vor dem Sommer und im Herbst sind drei weitere geplant. Es liegt also schon viel am Tisch und das „Fact-Finding“ geht in die Endphase.

Die Politische Akademie tourt auch durch die Bundesländer, so findet etwa am 27. September ein „Österreich-Gespräch“ mit den Regierungsmitgliedern Susanne Raab und Claudia Plakolm in der Linzer Tabakfabrik statt. Wie weit gelingt es, Menschen zum Mitdenken zu motivieren?

Kontakt und Austausch mit den Menschen ist sehr wichtig. Unsere Erfahrung ist, dass wenn man Angebote zu spannenden Themen wohnortnah macht, wird das angenommen. Im ersten postpandemischen Jahr merken wir sogar einen Zustrom an Interessenten.

Aber Politik hat nicht den besten Ruf …

Leider. Denn Politik ist eigentlich der Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir zusammenleben wollen – und das passiert ständig: Auch in den Gemeinden, den Betrieben und den Vereinen. Aber das wird oft übersehen und auf den verbalen Schlagabtausch in der Bundespolitik geschaut. Die große Stärke der Volkspartei ist aber, dass wir in den Ländern, den Gemeinden und Vereinen stark verwurzelt sind.

Im Oktober wird vermutlich wieder die Justiz die Hauptrolle auf der politischen Bühne übernehmen. Wie kann man es trotzdem schaffen, dass man über reale Probleme und nicht über Chats redet?

Ehrlicherweise wüsste ich nicht, was man über die Chats noch sagen soll, was noch nicht längst irgendwo geschrieben wurde. Und wenn ich unterwegs bin, dann sprechen mich die Menschen auf die handfesten Probleme an, die sie beschäftigen: Zur Teuerung. Zum leistbaren Wohnen. Zur Ausbildung der Kinder.

Die Kickl-FPÖ schrammt am rechten Rand, die Babler-SPÖ am linken – wo steht die ÖVP?

Ich könnte es mir leicht machen: In der Mitte. Aber die Zuschreibung „rechts“ und „links“ sind heutzutage schwierig, weil die Programmatik verschwimmt. Für mich agieren beide Parteien sehr populistisch und schüren die Ängste der Menschen. Als bürgerliche Kraft setzen wir auf Besonnenheit und Machbarkeit.

Und wofür steht die ÖVP?

Wir wollen Freiheit und Verantwortung gut austarieren. Was kann ich den Menschen zutrauen, welche Freiheiten kann ich schaffen und wo und wie kann ich ihnen Verantwortung übergeben? Und in welchen Bereichen muss der Staat einspringen? Die Volkspartei traut den Menschen etwas zu, ist an ihrer Seite, wenn es notwendig ist.

2024 wird ein Superwahljahr mit Dauerwahlkampf, von der AK und EU bis zur Nationalratswahl – irgendwie scheint Politik nicht mehr ein Wettbewerb der besten, sondern der schrillsten Ideen zu sein. Was kann man dagegenstellen?

Die Tonalität ist in der Verantwortung jedes einzelnen. Aber natürlich sind gerade die sozialen Medien anfällig – je schriller desto mehr Klicks. In diesem Wettbewerb ist es als Volkspartei nicht notwendig einzusteigen. Sondern unsere große Stärke sind unsere vielen Funktionärinnen und Funktionäre: Wir sind die Bürgermeister-Partei und stark vernetzt im Ehrenamt. Ich glaube, im persönlichen Kontakt kann man einerseits hören, was die Menschen wirklich betrifft und andererseits auch die Lösungen erklären.

Wann soll das Zukunftsprogramm 2030 fertig sein?

Eine Deadline gibt es nicht, aber Ziel ist, es mit Ende des Jahres abschließen zu können. Letztlich muss der Kanzler entscheiden, wann es „rund“ und fertig ist. Aber klar ist: Qualität vor Tempo.

Was glauben Sie, werden Sie persönlich 2030 machen?

In sieben Jahren … dann wird mein ältere Tochter 13 und mitten in der Pubertät sein und die kleinere Tochter wird 10 Jahre alt sein und damit steht ein Schulwechsel bevor. Das ist für mich am ehesten noch planbar. Und ich werde sicher auch 2030 ein politischer Mensch sein.

Mit Polak-Präsidentin NR-Abg. BETTINA RAUSCH sprach Herbert Schicho

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