Rosenkranz an Pogrom-Gedenken gehindert

Der freiheitliche Nationalratspräsident Walter Rosenkranz ist am Freitag von jüdischen Demonstrantinnen und Demonstranten daran gehindert worden, mit einem Kranz beim Denkmal am Judenplatz der November-Pogrome zu gedenken. Die Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen hatten eine Menschenkette um das Denkmal gebildet und richteten dem Burschenschafter aus: „Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nichts wert!“. Rosenkranz sprach von „Gewalt“.

Nach einigen Minuten der Diskussion gab Rosenkranz schließlich auf und verließ den Judenplatz sichtlich verärgert unverrichteter Dinge. Den friedlichen Demonstranten warf er „Gewalt“ vor: „Sie hindern mich mit Gewalt – aber ich weiche der Gewalt von Ihnen“, sagte Rosenkranz. „Niemand hier übt Gewalt aus“, widersprachen die Protestierenden.

Das Gedenken an die Novemberpogrome gegen Jüdinnen und Juden vor 86 Jahren war heuer ungewöhnlicherweise mit zwei getrennten Veranstaltungen geplant. Denn die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) gedachte wie üblich mit Vertretern der Bundesregierung und der Parlamentsparteien bei der Shoah-Namensmauer in Wien, wollte aber mit Verweis auf zahlreiche antisemitische Vorfälle dezidiert keine FPÖ-Politiker dabei haben. Der neue freiheitliche Nationalratspräsident Rosenkranz wollte deshalb beim Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoah am Judenplatz einen Kranz niederlegen.

Kurz vor dem angekündigten Eintreffen des Nationalratspräsidenten um halb zehn Uhr bildeten allerdings Demonstrantinnen und Demonstranten eine Menschenkette rund um das Denkmal und hielten ein Transparent in die Kameras: „Kein Gedenken mit Rosenkranz & FPÖ: Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nichts wert!“, war darauf zu lesen. Vor Ort war etwa auch Künstler Gottfried Helnwein.

Rosenkranz kam dennoch zum Judenplatz, begleitet von Parlamentsdirektor Harald Dossi und beiden Geschäftsführerinnen des Nationalfonds. Der vorbereitete Kranz wurde zunächst vor dem Transparent und der Menschenkette postiert, doch die Demonstranten stellten sich rasch davor und sangen die israelische Hymne.

„Ich darf jetzt ersuchen, dass mir die Möglichkeit gegeben wird, hier zu dem Kranz durchzukommen“, forderte Rosenkranz, umringt von zahlreichen Medienvertretern. Gefragt, ob die Aktion nicht ein legitimer demokratischer Protest sei, antwortete Rosenkranz unwirsch: „Ich würde Sie eines ersuchen: Sie könnten mich nachher befragen, nachdem diese Feierlichkeit beendet ist.“ Zum Gedenken kam es allerdings erst gar nicht, stattdessen versuchte die Polizei, die Demonstranten zum Rückzug zu überreden, und auch Rosenkranz diskutierte mit den Protestierenden.

„Bitte respektieren Sie das Gedenken an unsere Vorfahren. Wir wollen nicht mit Ihnen gedenken, wir wollen nicht, dass Sie unseren Vorfahren ins Gesicht spucken“, erklärte ein Demonstrant. „Sie beleidigen mich“, entgegnete Rosenkranz. „Es ist für mich eine entscheidende Frage, ob ich mich dieser gegen österreichische Gesetze entsprechenden Aktion beuge oder nicht“, ließ Rosenkranz wissen. „Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Überlebenden der Shoa, dass Sie heute hier stehen“, warfen ihm die Demonstranten hingegen „Propaganda“ vor.

Rosenkranz argumentierte wiederum, es handle sich um einen Kranz des Parlaments und der Abgeordneten: „Ich möchte als Parlamentspräsident hier als Repräsentant der Republik Österreich eine Gedenkveranstaltung machen.“ „Treten Sie endlich zur Seite“, riefen ihm Protestierende zu. „Als Zeichen meines guten Willens werde ich von meinem Vorhaben im Andenken an Ihre Vorfahren … werde ich mich Ihrer Gewalt beugen und gehen. Sie hindern mich gewaltsam am Zutritt“, befand Rosenkranz. Die Demonstranten widersprachen, dass ein „vollkommen friedlicher Protest“ als Gewalt verunglimpft werde.

Nach einigen Minuten machte Rosenkranz letztlich kehrt und verließ den Judenplatz. „Ich verstehe alles, dass es Unmut gibt, und als Demokrat lasse ich auch zu, dass es entsprechende Kundgebungen und Veranstaltungen gibt“, sagte Rosenkranz vor Journalisten. „Und so lange ich in diesem Land etwas mitzureden habe in irgendeiner Form, wird es immer Grund- und Freiheitsrechte, insbesondere auch Versammlungsrechte, Kundgebungsrechte, Meinungsfreiheit geben.“

In der Nacht von 9. auf 10. November 1938 waren im gesamten „Deutschen Reich“ systematisch Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Jüdinnen und Juden misshandelt worden. Allein in Österreich wurden damals mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Das Gedenken daran findet heuer einen Tag vor dem eigentlichen Jahrestag statt, weil dieser diesmal auf einen Samstag und damit auf den jüdischen Ruhetag Shabbat fällt.

Am Judenplatz wurde am Freitag auch an jene 101 israelische Geiseln erinnert, die sich nach dem grausamen Anschlag der palästinensischen Hamas am 7. Oktober 2023 noch immer in der Gewalt der Terrororganisation befinden. Für sie wurde von der Initiative „Hostages and Missing Families Forum – BRING THEM HOME NOW“ ein Shabbat-Tisch aufgestellt.

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