Christoph Schönborn, der als Wiener Erzbischof in den Ruhestand geht, glaubt eher nicht, dass in Österreich auch ein weiterer Kardinal ernannt wird. „Da verschieben sich ein bisschen die Gewichtungen“, sagte er in einem Pressegespräch zu den Besetzungen durch Papst Franziskus, der weniger Fokus auf die europäische Kirche legt. Über seinen noch unbekannten Nachfolger meinte Schönborn: „Ich vertraue darauf, dass er es gut machen wird. In mancher Hinsicht sicher besser als ich.“
Schönborn geht nicht nur als Erzbischof endgültig in den Ruhestand. Obwohl er die Kardinalswürde naturgemäß behält, darf er mit 80 Jahren nicht mehr an der Papst-Wahl teilnehmen. Die Chancen, dass sein Nachfolger in Wien oder ein anderes Mitglied der Bischofskonferenz zum Kardinal ernannt wird, stehen laut Schönborn aber schlecht. So habe sich das Kollegium „massiv verändert“ seit Franziskus Papst ist. „Seine Kardinalsernennungen sind schon auch ein Programm.“
Der Heilige Vater habe – wie er es auch angekündigt hatte – das Versprechen wahr gemacht, an die „Peripherie“ zu gehen, also bevorzugt Kardinäle etwa aus Asien, Südamerika und Afrika zu ernennen. Der Anteil der europäischen Kardinäle sei aber immer noch sehr hoch im Vergleich zur Weltkirche, betont Schönborn. Ob er sich persönlich einen Kardinal aus Österreich wünscht? „Ich habe da nicht mitzureden.“ Aber vielleicht werde es in Österreich ja „eine sehr faszinierende oder charismatische Gestalt geben“.
Rückgang an Katholiken „schmerzlich“
Auch wenn sich Schönborn betont bescheiden gibt, wenn er Bilanz über seine Tätigkeit als Wiener Erzbischof zieht, einen Erfolg sieht er: „Dass es unter den Bischöfen eine größere Gemeinsamkeit gibt, das ist positiv zu vermerken.“ Ein „Schmerzpunkt“ sei hingegen der dramatische Rückgang an Katholiken während dieser Zeit. Es sei aber „nicht ausschließlich mein Fehler, aber ich will es nicht schönreden, das ist schmerzlich“.
Auch hänge dies mit der „Großwetterlage“ zusammen, dass die Bindung an Institutionen nachgelassen hat – „das merken auch die Parteien, das merken auch die Gewerkschaften“, merkt Schönborn an. „Das ist eine Entwicklung, die auch mit unserer Wohlstandsgesellschaft zu tun hat.“ An ein „Rezept“, die frühere Zeit wiederherzustellen, glaubt der scheidende Erzbischof aber nicht. „Die Nachkriegszeit werden wir nicht wiederherstellen können und auch nicht wollen.“
„Kreuze aufrecht erhalten“
Dennoch ist Schönborn laut eigener Aussage nicht der Überzeugung, dass die Volkskirche oder der Katholizismus überholt seien. „Ich bin dafür, dass wir in Österreich die Kreuze aufrecht erhalten.“ Dies sei nicht „Exklusives“, sondern ein „Zeichen der Versöhnung“. Selbst die Stadt Wien habe ein Kreuz im Wappen und sei „dennoch nicht ein Hotspot der katholischen Frömmigkeit“, so Schönborn ironisch. Positiv sei auch trotz des Rückgangs an Gottesdienstbesuchern, dass es ein kirchliches Brauchtum gebe.
Was Schönborn rückblickend anders machen würde: „Ich würde mehr für mich selbst und für die Menschen, denen ich begegne, das geistliche Leben empfehlen.“ So brauche es geistliche Menschen, an denen man sich orientieren kann, findet der Kardinal, der auch zugibt, dass sich die katholische Kirche in der Vergangenheit mit sich selbst beschäftigt habe. „Diese Selbstbezogenheit ist ein großes Übel“, findet Schönborn.
Hoffnung auf „bessere Zeiten“ für Dialog mit Russland
Im Hinblick auf die Orthodoxie bedauert Schönborn das derzeit schwierige Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche, die offiziell den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine gutheißt. „Ich bedaure es sehr, dass wir im Moment praktisch keine Möglichkeit des Dialogs zu Moskau haben. Das wird nicht so bleiben“, hofft er aber. „Es wird auch wieder bessere Zeiten geben.“ Generell warnt Schönborn vor totalitären Tendenzen weltweit und plädiert für die Wahrung liberaler Demokratien.
Zur Diskussion um eine Öffnung der katholischen Kirche meint Schönborn: „Die Möglichkeit, verheiratete Priester zu haben, ist eine Möglichkeit, die es in der Kirche gibt, auch in der katholischen Kirche. Ich habe schon Verheiratete zum Priester geweiht, mit der Erlaubnis von Rom.“ Die Frage des Frauenpriestertums bleibe sicher „eine der brennendsten Fragen“, die wohl noch längere Zeit nicht vom Tisch sein werde. Geschlechtergerechtigkeit sei jedenfalls ein „berechtigtes und notwendiges Thema“, findet der Kardinal.
„Ich bleibe auf Rufweite“
Anmerkungen, dass er im Ruhestand nun tun und lassen kann, was er will, setzt Schönborn entgegen: „Ich habe 30 Jahre lang etwas getan, das ich sehr gerne gemacht habe.“ Pensionspläne hegt er noch keine. Außerdem: „Ich bleibe Kardinal und ich bleibe auf Rufweite.“