„Mindestens seit 2010 betreibt die Stadt Linz Sprachförderung mit Raubkopien“ — diese schwere Anschuldigung erhebt eine Linzer Pädagogin. Und mehrere Kolleginnen bestätigen das. In Kindergärten werden für die Sprachförderung Lehrbehelfe —Bücher und CDs — eingesetzt, die nur einmal angekauft und dann von der Abteilung Kinder- und Jugend-Services Linz (KJS) unzählige Male für die Verwendung in den Kindergärten kopiert wurden.
Dass hier permanent das Urheberrecht verletzt und geistiges Eigentum gestohlen wurde, schien niemanden zu stören. Die Kopierpraxis war derart dreist, dass sogar eine aus mehreren Lern-CDs zusammenkopierte CD mit einem Cover versehen wurde, auf dem eine inzwischen pensionierte Magistratsbedienstete als Herausgeberin aufscheint.
Den Sprachförderpädagoginnen wurden vor Dienstantritt im KJS-Büro in der Rudolfstraße große Mengen kopierter Lehrmittel ausgehändigt. „Man kriegte das völlig ungefragt“, sagt eine der Pädagoginnen zum VOLKSBLATT. Sie hatte eigentlich für ihre Arbeit im Kindergarten gar kein Material gebraucht, da sie selbst über solches verfügte. Außerdem betrachtete sie die 2019 überreichten Unterlagen als ohnehin ungeeignet für eine kindgerechte Sprachförderung.
„Ich habe mir damals gar nichts dabei gedacht, weil die (KJS-Mitarbeiterin, Anm.) hat mir das in einer Mappe gegeben“, räumt eine andere Pädagogin einen eigenen Mangel an Unrechtsbewusstsein ein. Sie sei erst von der Chefin eines geschädigten Verlages auf die illegale Praxis aufmerksam gemacht worden.
Kopien werden vernichtet
Die Stadt Linz — vom VOLKSBLATT mit einer langen Liste illegal kopierter Lehrbehelfe konfrontiert — bestreitet die Zustände auch gar nicht. KJS-Direktor Josef Kobler räumt ein, dass einige der aufgelisteten Werke tatsächlich noch in Verwendung seien. „2010 hat man das noch salopp gesehen, heute sieht man das anders“, beteuert Kobler und verspricht Besserung: „Alles, was an Kopien herumgeistert, wird eingezogen und vernichtet. Bis Ende des Jahres wird alles rechtlich in Ordnung sein.“
[the_ad id="591055"]Nicht auszuschließen ist, dass geschädigte Verlage, die von den illegalen Kopien ihrer Werke bislang noch gar nichts wussten, nun von der Stadt Schadenersatz fordern.
Von Manfred Maurer